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In diesem Beitrag will ich dich für die narzisstisch gestörte Beziehung sensiblisieren und dir Tipps an die Hand geben, wie diese Störung aufgelöst werden kann.

Wenn ein geringer Selbstwert einem das Leben schwer macht, ist eine narzisstische Beziehung oft nicht weit. Moment mal… Narzissten, das sind doch nur diese Menschen, die sich wie so manch Politiker*in der heutigen Zeit benehmen. Die werten andere gnadenlos ab, um sich selbst aufzuwerten. Die sind nur auf den eigenen Vorteil bedacht! Oder nicht?! Meine Antwort: Es ist viel komplexer!

Narzisstische Beziehungen entstehen durch zwei sich ergänzende Narzissten.

Stabile Beziehungen oder narzisstische Beziehungsstörung

Echte Wertschätzung fehlt in der narzisstischen Beziehung.

Stabile und wertschätzende Beziehungen sind ein sehr wichtiges Element, um langfristig eine gesunde und lebendige Balance zu erleben.

Kennst du das auch: Ein gutes Gespräch, ein netter gemeinsamer Nachmittag oder Abend mit Freund*in, Familie oder Partner*in versetzt dich in einen ganz anderen emotionalen Zustand? Vorzugweise in einen „besseren“ und positiven?

Dann handelt es sich sehr wahrscheinlich um eine stabile Beziehung auf gleicher Augenhöhe mit sehr viel Wertschätzung und Akzeptanz. Ich beglückwünsche dich, wenn du solch ein Miteinander erleben darfst.

In der narzisstisch gestörten Beziehung

… erfahren die Beteiligten dagegen keine echte Zugewandtheit vom jeweils anderen. Darum soll es hier gehen. Am Ende des Artikels will ich dir Wege aufzeigen, wie Lösungen lauten können.

Immer wieder stoße ich in Therapie, Coaching und auch Workshops auf dieses Thema:

Was ist Narzissmus und was ist eine narzisstische Beziehungsstörung?

Denn es geht hierbei eben nicht nur um diese speziellen Menschen: jene Personen, die sich als über die Maßen grandios erachten und im bildlichen Sinne gerne auch mal über die sprichwörtlichen Leichen gehen, um die eigenen Ziele durchzusetzen. Mein Rat dazu an dieser Stelle: Grenze dich von diesen soziopathisch oder psychopathisch veranlagten Menschen ab. Dies möchte ich heute aber nicht ausführlich thematisieren. Denn:

Auch eine Beziehung kann narzisstisch sein.

Hier wird es interessant, denn es geht nicht mehr um einen übermäßig grandiosen (narzisstischen) Menschen, sondern um das Zusammenspiel zweier Menschen: Beide haben mit ihren Defiziten zu kämpfen – bewusst oder unbewusst.

Sie versuchen, das Fehlende über das Außen zu ergänzen: über eine berufliche oder private Partner-Figur, die genau dieses Defizit bedient.

Die narzisstische Beziehung: Die Partner fühlen sich verbunden und sehen sich dennoch nicht wirklich.

Das Grundproblem narzisstischer Beziehungen

In der narzisstischen Beziehung entwickelt sich die Störung aus einer bestimmten Tatsache: Keine der beiden Personen ist in einem stabilen Kontakt mit sich selbst. Ein gesundes Selbstwertgefühl zeigt ist in der Art und Weise, wie eine Person mit sich und anderen umgeht:

  • Wie schätzt dieser Mensch sich selbst ein?
  • Kann die Person die eigenen Grenzen, Eigenschaften und Fähigkeiten annehmen, wie sie sind?

Wer das kann, hat nicht das Bedürfnis, sich oder andere auf- oder abzuwerten. Wie schaut die Dynamik jedoch aus, wenn der Selbstwert bei beiden Partnern grundsätzlich schwach ist? So:

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Beide Partner*innen suchen Bestätigung und Selbstwertstärkung ausschließlich im Außen.

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Beide richten deshalb ihre Aufmerksamkeit kontinuierlich auf das Gegenüber.

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Vermutungen, Befürchtungen und Erwartungen werden nicht ausgesprochen. Dasselbe gilt für die eigenen Bedürfnisse.

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In der narzisstischen Beziehung wird echter Kontakt zum anderen und ein echtes Zuhören nicht möglich. Denn beide achten ständig auf die eigenen Vermutungen, Befürchtungen und Erwartungen.

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Durch das permanente Scannen des anderen versuchen beide die Kontrolle über die Situation zu behalten. Zugleich versuchen sie, das eigene Selbstwertdefizit durch Erhöhung oder Erniedrigung des eigenen Selbst auszugleichen.

Die narzisstische Struktur: Abwertung versus Aufwertung

Ja, wir haben es auch hier mit einem gewissen Grandiositätsstreben auf der einen Seite zu tun. Allerdings ist dieses in der Regel nicht so extrem ausgeprägt. Im Verhalten dieser narzisstischen Person schwingt das Bedürfnis mit:

„Bewundere mich, lobe mich, zeig mir, dass ich toll bin. Werte mich auf!“ Auf der anderen Seite finden wir einen ebenso narzisstisch geprägten Menschen, der sein Selbstwertdefizit genau umgekehrt bedient:

Die narzisstische Beziehung am Arbeitsplatz: Einer erniedrigt, der andere erhöht.

Indem diese Person sich selbst erniedrigt, wird das Gegenüber auf einen Sockel gehoben. Es schwingt das Bedürfnis mit: „Ich tue alles nur für dich, alles richte ich nach dir aus – ich bin so, wie du mich haben willst. Belohne mich, weil ich mich für dich abwerte.“

Die Lösung für narzisstische Beziehungsstörungen

In der narzisstischen Beziehung gilt es Grenzen zu setzen.

Der Weg zur Lösung ist nach meiner Erfahrung ideal, wenn er zweigleisig erfolgt. Idealerweise fangen beide Partner*innen an, mit sich selbst besser in Kontakt zu kommen – in einer Therapie oder einem Coaching.

Ja, Coaching, denn die narzisstischen Eigenschaften müssen kein pathologisches Ausmaß haben! Wer narzisstische Anteile hat, ist nicht automatisch eine soziopathische Person. Bitte vergiss das nicht.

Zugleich gilt es, die Kommunikationsfähigkeit in der Beziehung zu entwickeln. Was bedeutet das?

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Sprich all das aus, was dir wichtig ist.

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Trau dich, deine Bedürfnisse direkt zu benennen.

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Erkenne, wann du das Verhalten des anderen interpretierst.

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Setze Grenzen: Was ist nicht in Ordnung für dich?

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Vermeide alle Interpretationen. Frage stattdessen nach.

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Wie wichtig ist dir dein Gegenüber wirklich? Ist dir der Mensch wirklich wichtig oder erfüllt er lediglich eine Funktion? Das ist entscheidend und kann in Liebesbeziehungen zuweilen schmerzhaftes Erkennen bedeuten.

Den eigenen Selbstwert stärken

Keine Frage, in jedem von uns steckt einen kleiner narzisstischer Anteil, das ist vollkommen natürlich und menschlich. Bitte vergiss nicht: Wertschätzung und Selbstwertstärkung sind Grundbedürfnisse von jeder Person.

Das Ausmaß ist relevant.  Wenn du zu sehr in deinem narzisstischen Defizit feststeckst, hast du den Kontakt zu deiner Identität verloren. Du bin dann getrennt von

  • deiner Selbstachtung,
  • deinen Empfindungen und Gefühlen,
  • deiner Autonomie,
  • deinen wahren Stärken,
  • und damit auch von deiner Kraft.
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Narzisstisches Defizit

permanentes Grandiositätsstreben durch

  • Erhöhung des Selbstwertes durch Abwertung anderer („Ich bin besser als du. Pass dich an.“) oder
  • Selbst-Erniedrigung durch den aktiven Aufbau eines Minderwertigkeitsgefühls („Ich tu alles nur für dich.“)

⇒ Beides bedeutet Selbstaufgabe und Entfremdung.

Was ist das Ergebnis? Du erstarrst immer mehr in einer quasi leeren Hülle deiner Selbst. Alles ist auf das Funktionieren im Außen ausgerichtet. Echtes Sein und Lebendigkeit werden unmöglich. Die persönliche Weiterentwicklung wird unterbrochen.

Dieses Erstarren und die Selbstaufgabe ist ein erlerntes Verhalten. Das ist nicht angeboren! Also hast du die Wahl. Vielleicht siehst du momentan noch keine Alternative, aber du kannst entscheiden, welches Verhalten du leben willst. Du kannst zurückkehren zu einer Lebendigkeit oder sie endlich erstmals finden, bei der dein Wert nicht mehr über einen anderen Menschen im Außen (beruflich oder privat) definiert ist. Therapie oder Coaching kann hier helfen.

Jenseits der narzisstischen Beziehung

Begegnung auf Augenhöhe

Denn erst wenn du ganz bei dir bist und dich gut in deiner individuellen Lebendigkeit erlebst, bist du in der Lage eine stabile Beziehung zu führen.

Diese ist nicht darauf ausgerichtet, das Gegenüber als Werkzeug für den Ausgleich des eigenen inneren Defizits zu nutzen. Stattdessen geht es um eine wertschätzende Begegnung auf Augenhöhe, die beide Persönlichkeiten bereichert und wachsen lässt.

Vielleicht wird erstmalig das Erkennen des anderen mit all seinen Stärken und Schwächen, kurz in all seiner Menschlichkeit, möglich.

Die narzisstische Struktur durchbrechen: Den anderen achtsam wahr- und annehmen.

Meine Impulse zur Selbstwertstärkung für dich

Finde heraus, was dich im Innersten trägt:

  • Welche Bedürfnisse, welche Werte wollen gelebt werden?
  • Was stimuliert dich in jeglicher Hinsicht?
  • Wenn alles möglich wäre, wie würdest du leben wollen?

Lerne „ja“ bzw. „nein“ zu sagen:

  • Erkenne, wo du Grenzen setzen oder öffnen willst.
  • Sprich aus, was du willst und was nicht.

Ermittle die kritischen Stimmen in dir und finde eine Gegenstimme:

  • Mit welchen destruktiven Glaubenssätzen und Überzeugungen stellst du dir selbst ein Bein?
  • Was könnte die Gegenstimme Positives und Aufbauendes zu dir sagen?

 

Du hast Fragen oder möchtest tiefer ins Thema einsteigen?

Mit diesem Blogartikel starte ich eine Reihe zum Thema „Narzissmus und Balance“. Denn zu oft wird noch verkannt wie umfassend Beziehungen und Selbstwert unser Gleichgewicht beeinflussen. Ich möchte aufräumen mit dem Denken, dass es immer die pathologischen Narzisst*innen sind, die alle Schuld tragen. Ja, die gibt es durchaus. Ich habe in meiner Zeit als Schöffin so manch einen narzisstischen Menschen auf der Anklagebank erlebt, der in die Kategorie „pathologisch“ gefallen ist, und selbst hatte ich im Privaten auch mit einer speziellen Begegnung meine Erlebnisse.

Doch nur ein verschwindend geringer Teil der Menschen ist pathologisch oder soziopathisch narzisstisch. In der Mehrzahl erleben wir Abstufungen. Nach meinem Empfinden wird beim Betrachten von Beziehungen zu schnell von „toxischen Beziehungen“ gesprochen. Es wird dabei Schwarzweißmalerei betrieben und vergessen, dass in einer Beziehung nich nur eine Person in der Verantwortung ist. Dazu jedoch demnächst mehr!

Auf die grundsätzliche Bedeutung von wertschätzenden Beziehungen für eine gesunde, innere Balance bin ich an dieser Stelle näher eingegangen.