Einführung
Psychische Gesundheit am Arbeitsplatz ist nicht nur ein Thema für Gesundheits- und Sicherheitsbeauftragte, sondern betrifft uns alle. Egal ob im Büro, in der Fabrik oder im Homeoffice – psychische Belastungen können überall auftreten und haben weitreichende Folgen für die Gesundheit der Mitarbeitenden und die Produktivität des Unternehmens.
Psychische Belastung am Arbeitsplatz: Definition und Ursachen
Psychische Belastung am Arbeitsplatz bezeichnet die Summe der Einflüsse, die auf die psychische Gesundheit der Mitarbeitenden wirken. Diese können von hohen Arbeitsanforderungen über mangelnde Unterstützung bis hin zu ungünstigen Arbeitsbedingungen reichen. Ursachen sind vielfältig und reichen von übermäßiger Arbeitsbelastung, fehlender Anerkennung, unklaren Aufgabenstellungen bis hin zu Mobbing und Belästigung.
Beispiele aus dem Arbeitsalltag
Stell dir vor, du hast ständig Deadlines im Nacken, wenig Unterstützung von Kolleg*innen und Vorgesetzten und dazu noch einen ungesicherten Arbeitsplatz. All dies kann zu erheblichem Stress führen und sich negativ auf deine psychische Gesundheit auswirken.
Die Belastungen am Arbeitsplatz
Unternehmen müssen schon recht lange die physischen Belastungsfaktoren in einer Gefährdungsbeurteilung schriftlich erfassen. Das sieht der Arbeitsschutz so vor. Rückengesundheit, Augengesundheit, insgesamt körperliche Unversehrtheit sollen so gewährleistet werden. Die Berufsgenossenschaften haben ein großes Interesse daran, denn jeder Unfall am Arbeitsplatz wird nicht über die Krankenkasse, sondern über die jeweilige Unfallversicherung abgewickelt.
Doch wir alle wissen, dass Gesundheit auch die Psyche umfasst.
Wechselwirkungen zwischen psychischen und physischen Belastungen
Psychische und physische Belastungen sind oft eng miteinander verknüpft. Körperliche Beschwerden können psychischen Stress verstärken und umgekehrt. Beispielsweise kann chronischer Rückenschmerz zu Depressionen führen, während psychischer Stress wiederum körperliche Symptome wie Kopfschmerzen oder Magenprobleme auslösen kann. Diese enge Verzahnung sollten wir bei der Betrachtung der Belastung am Arbeitsplatz nicht aus den Augen verlieren.
Psychische Gefährdungsbeurteilung
Interessanterweise müssen alle Unternehmen bereits seit 2013 die psychischen neben den physischen Belastungsfaktoren in der Gefährdungsbeurteilung berücksichtigen. Aber wird das wirklich gemacht? Tja… Wo kein Kläger, da kein Richter. Viele, gerade kleinere Unternehmen drücken sich davor, sich mit dem Thema auseinander zu setzen. Sei es, weil…
… die Gefährdungsbeurteilung immer noch falsch verstanden wird („Wir sind doch hier nicht geistesgestört“).
… das Thema unangenehm ist (da alle wissen, dass es hier durchaus Probleme gibt im Unternehmen).
… die Man-Power fehlt, um sich der Sache an zu nehmen. Denn gerade in kleinen Unternehmen wird der Bereich „Personal“ von VerwaltungsassistentInnen nebenbei miterledigt.
Arbeitgeberpflichten und -verantwortungen
Also noch mal Klartext: Arbeitgeber*innen sind verpflichtet, Gefährdungsbeurteilungen durchzuführen, um psychische Belastungen zu identifizieren und geeignete Maßnahmen zur Prävention und Intervention zu ergreifen. Dazu gehört auch die Schulung von Führungskräften im Umgang mit psychischen Belastungen.
Gesetzliche Grundlage zur psychischen Belastung am Arbeitsplatz
In Deutschland gibt es mehrere gesetzliche Grundlagen, die den Schutz der psychischen Gesundheit am Arbeitsplatz regeln, wie das Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) und das Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG). Diese Gesetze verpflichten Unternehmen, Maßnahmen zum Schutz der psychischen Gesundheit zu ergreifen.
Krankschreibung wegen psychischer Erschöpfung
Die genannten Gründe können und dürfen aus meiner Sicht nicht dazu führen, dass die psychische Belastung am Arbeitsplatz nicht beachtet wird. Denn die Krankschreibungen wegen psychischer Erschöpfung nehmen zu: Immer mehr Menschen fühlen sich psychisch (!) nicht in der Lage zu arbeiten.
Umfrage zur psychischen Belastung am Arbeitsplatz
Bedeutung von Mitarbeiterbefragungen
Befragungen aller Mitarbeitenden sind ein wichtiges Instrument, um die psychische Belastung am Arbeitsplatz zu messen und zu verstehen. Sie geben Einblicke in die subjektiven Erfahrungen der Belegschaft und helfen, gezielte Maßnahmen zu entwickeln.
Gestaltung und Durchführung einer Umfrage
Eine gute Umfrage sollte anonym und freiwillig sein, klare und präzise Fragen enthalten und sowohl qualitative als auch quantitative Daten erfassen. Wichtig ist auch die anschließende Auswertung und Kommunikation der Ergebnisse.
Vorteile einer Mitarbeiterbefragung
Eine Mitarbeiter*innen-Befragung kann helfen, frühzeitig Belastungsfaktoren zu identifizieren und gezielte Maßnahmen zu entwickeln. Sie fördert zudem das Vertrauen der Mitarbeitenden und signalisiert, dass ihre Gesundheit und ihr Wohlbefinden ernst genommen werden. Dies ist allerdings nur gegeben, wenn nach der Umfrage auch Taten folgen.
Umsetzung in der Praxis
Zur Umsetzung einer erfolgreichen Befragung sollten klare Ziele definiert, der Prozess transparent gestaltet und die Ergebnisse offen kommuniziert werden. Wichtige Schritte sind die Planung, Durchführung, Auswertung und Nachverfolgung der Befragung.
Die Rolle der Führungskräfte bei der Reduktion psychischer Belastung
Ganz klar: Der Fisch stinkt immer vom Kopf. Die Führungsebene eines Unternehmens ist mit Blick auf die (psychische) Gesundheit der Mitarbeitenden in der Verantwortung. Wenn auf dieser Ebene kein Verständnis für Gesundheit und Prävention vorhanden ist, wird es schwierig. Ich weiß, wovon ich spreche, denn ich bin seit 1996 in der Arbeitswelt unterwegs – früher als Angestellte, heute unter anderem als Anbieterin von Gesundheitsmaßnahmen.
Führungskompetenzen und -verhalten
Führungskräfte spielen eine entscheidende Rolle bei der Reduktion psychischer Belastungen. Sie sollten empathisch, unterstützend und kommunikationsstark sein. Trainings in diesen Bereichen sind essentiell. Und was niemals vergessen werden darf: Führungskräfte sind auch Vorbilder. Alle gesundheitsfördernden Maßnahmen bringen nichts, wenn die Bereichs-/ Team-/ Abteilungsleitung etwas anderes im Arbeitsalltag vorlebt. Es werden Pausen probagiert, aber die Führungskraft sitzt in der Mittagspause am Rechner und beantwortet Mails? Es sollte klar sein, wie diese Message lautet. Und sie wirkt!
Trainings und Weiterbildungen
Regelmäßige Trainings und Weiterbildungen für Führungskräfte helfen, ein besseres Verständnis für psychische Gesundheit zu entwickeln und angemessen auf Belastungen reagieren zu können. Das Verbessern der sozialen Kompetenz sollte hier ein zentrales Thema sein. Denn wer nicht mit Empathie und kommunikativen Fähigkeiten auf sein Team eingeht, wird psychische Belastungen der Mitarbeitenden nicht ausreichend wahrnehmen und auffangen.
Belastungs-Beanspruchungs-Modell
Bereits 1975 wurde es von Walter Rohmert und Joseph Rutenfranz (beide Arbeitswissenschaftler) entwickelt. Dieses Modell unterscheidet zwischen zwei wichtigen Kenngrößen: Belastung einerseits und Beanspruchung andererseits.
Kenngrößen des Belastungs-Beanspruchungs-Modells
Was sind Belastungen?
Das Modell versteht Belastungen nicht negativ, sondern wertet sie neutral. Es handelt sich dabei um die normalen Merkmale von Arbeit: Das sind all jene Einflüsse, die durch Arbeit auf den Menschen einwirken.
Jede Belastung – physisch und psychisch – kann positiv oder negativ wirken. Auf die einzelnen Belastungen gehe ich weiter unten detailliert ein. Eine negative Belastung ist eine Fehlbelastung. Das kann zum Beispiel Hitze oder ein Konflikt sein. Positive Belastungen sind Ressourcen. Das kann zum Beispiel die flexible Arbeitszeit sein.
Was bedeutet Beanspruchung?
Unter Beanspruchung versteht man im Modell die ganz individuelle Auswirkung einer Belastung auf eine Person. Da alle Menschen verschieden sind, verarbeiten sie auch Belastungen unterschiedlich. Deshalb kann ein und dieselbe Belastung (zum Beispiel Schichtdienst) auf unterschiedliche Weise auf Menschen wirken und diese beanspruchen.
Wie kann eine Beanspruchung verringert werden?
Wenn sich die Arbeitenden langfristig wohl fühlen sollen am Arbeitsplatz, gilt es, negative Belastungen für den einzelnen zu reduzieren. Oder aber die Person steigert ihre Bewältigungsfähigkeit, sodass die Belastung weniger beanspruchend wirkt.
Das Problem des Belastungs-Beanspruchungs-Modells
…liegt klar auf der Hand: In der Realität kann man Belastungen und Beanspruchungen gar nicht so trennscharf auseinander dividieren. Leider „denkt“ das Modell auch nicht weiter: Erklärungen für die Verarbeitung von Belastungen werden nicht angeboten und Ansätze für ein vorausschauendes Stressmanagement fehlen. Last but not least tun sich Menschen schwer mit dem Begriff „Belastung“. Denn der ist in der Alltagssprache nicht neutral, sondern negativ besetzt.
Dennoch kann das Modell helfen, sich den psychischen Belastungen am Arbeitsplatz zu nähern. Dies ist und bleibt ein zentrales Thema in der heutigen Wirtschaftswelt, da sich immer mehr Arbeitende mit diesen Fragen konfrontiert sehen:
Bin ich aufgrund spezieller Symptome überfordert am Arbeitsplatz?
Soll ich selber kündigen wegen psychischer Krankheit?
Ich habe Burnout – was tun?
Psychische Belastung am Arbeitsplatz: Was stresst und was kann man dagegen tun?
Ich möchte mit dir im Folgenden ausführlich mögliche psychische Belastungen am Arbeitsplatz betrachten und erste Lösungen aufzeigen. Natürlich können diese Lösungen nur allgemeiner Natur sein – denn ich kenne dein persönliches Thema nicht.
Faktoren der psychischen Belastung am Arbeitsplatz
(Durch Klicken auf das jeweilige „+“ rechts gelangst du zu den Details.)
Arbeitsinhalt
Vollständigkeit der Aufgabe
Wenn du eine Aufgabe vollständig bearbeitest, dann gehört auch die Vor- und Nachbetreuung einer Aufgabe dazu. Und du kennst das große Ganze, die Zusammenhänge. Klingt so selbstverständlich, oder? Leider gibt es aber auch noch heute monotone Aufgaben, die frustrieren und langweilen. Das Extrem ist hier die Fließbandarbeit, die immer noch existiert.
In der Automobilindustrie
…hat man die Fließbandarbeit übrigens abgeschafft, um den Arbeitern wieder mehr Sinnerleben in der Arbeit zu ermöglichen. In der Regel ist es nun so, dass ein Team ein Auto zusammenbaut. Dadurch verringert sich die Gefahr der langfristigen Erschöpfung aufgrund von Monotonie in Kombination mit Daueraufmerksamkeit auf eine einzige, teilweise stupide Handbewegung im Arbeitsprozess.
Die Gestaltung bzw. Lösung
…habe ich dir jetzt schon im Beispiel der Automobilindustrie genannt. Es gilt, Aufgaben anzureichern, vielleicht Aufgabenrotationen zu ermöglichen und geistig unterschiedlich fordernde Aufgaben zu mischen.
Handlungsspielräume
Dieses Thema ist in der heutigen Arbeitswelt sehr wichtig geworden. Immer mehr Menschen wünschen sich ein hohes Maß an Autonomie, sowohl zeitlich als auch inhaltlich. Mitarbeitende möchten im Rahmen der Möglichkeiten selbst bestimmen können, in welcher Reihenfolge sie etwas bearbeiten, wie sie vorgehen und welche Arbeitsmittel sie einsetzen.
Kritisch ist es,
…wenn akribisch genau Abläufe festgelegt sind und die Mitarbeitenden keinen Einfluss nehmen können. Dies ist zum Beispiel bei der Fließbandarbeit der Fall oder auch bei Arbeiten im Kundenkontakt ohne Einfluss auf die Terminvergabe. Die Arbeitskraft kann oft nicht kurzfristig die Arbeit unterbrechen.
Wird der Arbeitstakt vorgeben, kann dies zu Stress führen. Dies kann depressive Episoden, Ängste oder auch kardiovaskuläre Erkrankungen begünstigen.
Eine Lösung
…könnte sein, Aufgaben anders zu verteilen, Springerfunktionen zu schaffen und/oder Aufgaben auf neue Weise zu kombinieren.
Verantwortung
In diesem Segment dreht sich alles um die Pflichten, die die Mitarbeitenden haben, wenn sie bestimmte Tätigkeiten ausführen oder Maschinen bedienen. Die Verantwortung kann sich beziehen auf das Ergebnis, Sicherheit, Gesundheit anderer, Umweltschutz etc.
Kritisch ist es immer dann,
…wenn die Verantwortung nicht klar kommuniziert wird. Intransparenz führt in der Regel zu Verunsicherung und Frust. Dasselbe gilt für unklare Weisungsbefugnis. Es passiert nicht selten, dass sich ungeschriebene Gesetze entwickeln. Diese können dazu führen, dass im Arbeitsalltag eine Person Verantwortungen übernimmt, die ihr nicht vertraglich eingeräumt wurden. Dies geschieht oft auch gar nicht aus eigenem Betreiben, sondern weil andere eine Person in diese Rolle drängen. Oder aber. die eigentlich Verantwortlichen kommen ihrer Rolle nicht nach.
Ebenso problematisch ist es,
…wenn Personen mit fehlender Qualifikation oder Einarbeitung zu viel Verantwortung erhalten bzw. eine hochqualifizierte Person zu wenig Verantwortung bekommt. Frustration und Verunsicherungen können auch hier zu depressiven Zuständen oder Ängsten führen.
Die Lösung lautet:
Klare Rollen und Aufgaben kommunizieren.
Was außerdem möglich ist:
- Qualifikation anpassen
- kleinere Verantwortungsbereiche schaffen
- Aufgabenaufwertung (bei zu geringer Verantwortung)
Abwechslung
Wenn eine Aufgabe abwechslungsreich ist, dann erlebt die arbeitende Person immer wieder andere Herausforderungen Sie kann unterschiedliche Fähigkeiten und Fertigkeiten einsetzen und macht nicht permanent dasselbe. Auch hier haben wir im Extremen das Negativbeispiel der Fließbandarbeit. Aber auch die Funktionspflege im Krankenhaus gehört dazu oder Service-Center-Tätigkeiten. Alle Beispiele haben eines gemeinsame: Ständig müssen die Angestellten sehr ähnliche Aufgaben wiederholen.
All das steht im engen Zusammenhang mit dem Themenfeld „Handlungsspielraum“ (siehe oben).
Eine Lösung
…könnte sein, eine sehr starke Aufgabenteilung zu reduzieren, Aufgaben zu erweitern und rotieren zu lassen.
Qualifikation
Unter Qualifikation kannst du Fachkenntnisse, Techniken, Fertigkeiten und Fähigkeiten, aber auch soziale oder kommunikative Kompetenzen verstehen, um eine Aufgabe zu bewältigen.
Kritisch wird es in der Regel dann, wenn
- deine Tätigkeit nicht deiner Qualifikation entspricht (Wer kennt es nicht: Du muss wegen Personalmangel, Urlaub, Krankheit von Kolleg:innen zusätzliche Aufgaben übernehmen.)
- die Einarbeitung unvollständig war (oder gar nicht stattfand)
- du deine Qualifikation nicht oder zu spät durch Schulung anpassen kannst (Das ist typisch bei Umstrukturierungen oder der Einführung neuer Software.)
Typische, negative Beanspruchungsfolgen bzw. Beschwerden sind psychische Über- oder Unterforderung.
So kann eine Lösung aussehen:
- Bei Unterqualifikation: Schulung, regelmäßige Unterweisung, Einarbeitung, systematische Personalentwicklung (individuell und unbedingt vor einer geplanten Veränderung).
- Bei Überqualifikation: zielorientierte Personalauswahl, höherwertige Aufgaben übertragen.
emotionale Inanspruchnahme
Vor allem Menschen im Dienstleistungssektor sind von dieser Belastung betroffen. Kommunikation mit Klienten, Patienten, Kunden fühlen nicht selten zu negativen Belastungen. Es kann aber auch deine Aufgabe sein, dass du im Job Gefühle zeigen sollst, die im Widerspruch zu deinen eignen Gefühlen stehen. Ich denke hier zum Beispiel an die ewig lächelnden Servicekräfte in einer Urlaubsclubanlage.
In diesen Fällen kann es kritisch werden:
- permanenter Umgang mit emotional belastenden Situationen ohne Unterstützung für die gesunde Verarbeitung (Umgang mit Leid, Tod, Krankheit)
- Bedrohung durch verbale oder körperliche Gewalt (Polizei, Arbeits-/ Sozialämter, Pfleger von Demenzkranken)
- Arbeitsvertrag enthält Anweisung, welche Gefühle zu zeigen sind (freundlich bleiben, auch wenn der Kunde unfreundlich wird)
Vermehrte psychische bzw. psychosomatische. Beschwerden und ein erhöhtes Depressionsrisiko sind mögliche negative Beanspruchungsfolgen (Beschwerden).
Eine Lösung könnte so aussehen:
- soziale Unterstützung ermöglichen
- soziale Kompetenzen erweitern (zum Beispiel durch ein Deeskalationstraining)
- Supervision
- in der Unternehmenskultur: Grenzen festlegen (wann darf „nein“ gesagt werden)
Arbeitsorganisation
Arbeitszeit
Bei der Arbeitszeit handelt es sich um die Dauer und Verteilung der Zeit am Arbeitsplatz (Schichtdienst, Rufbereitschaft) sowie Pausen und Erholungszeiten (Mindeststandards sind festgelegt im Arbeitszeitengesetz).
Wann wird es kritisch?
- Bei dauerhaften Überstunden, unzureichenden Ruhe-/ Erholungszeiten (Bereitschaftsdienst, Zwang zu ständiger Erreichbarkeit, überlange Arbeitswege)
- Arbeitszeit kann nicht mitgestaltet werden, Die Mitarbeiter:innen muss „auf Abruf“ bereitstehen.
- häufiges, unvorhergesehenes Arbeiten an Sonn- und Feiertagen
- nicht ergonomisch gestaltete Schichtpläne durch zu viele Nachtdienste
Wie sehen mögliche negative Beanspruchungsfolgen aus?
- Kardiovaskuläre Erkrankungen
- Depressionen
- Angststörungen
- erhöhtes Unfallrisiko
- Diabetes
- Schlafstörungen
Wie kann diese Belastung reduziert werden?
- Ausgleichs- und Erholungszeiten vorsehen,
- Mitarbeitende haben Einfluss auf Dienstplangestaltung
- Personal wird aufgestockt
- Verhaltensprävention: Führungskräfte und Teammitglieder lernen der Sinn von Pausenzeiten.
Störungen, Unterbrechungen
Was sind Störungen? Störungen bedingen den Abbruch einer Arbeitshandlung, das Störausmaß beschreibt, ob und wie die Arbeit nach der Störung wieder aufgenommen werden kann.
Wann wird es kritisch?
- hohe Anzahl von Störungen durch Kollegen, Vorgesetzte, Kunden
- Funktionsstörungen von Maschinen oder Software
- fehlendes Material, fehlende Infos
Welche negativen Beanspruchungsfolgen können sich daraus ergeben?
- Kurzfristige oder chronische Ermüdung
- Depression, Angst
Was kann zu einer Lösung beitragen?
- Störungsfreie Arbeitszeiten schaffen (feste Beratungs-/Besuchszeiten
- Trennwände, Schallschutz, vorbereitende Instandhaltung
- regelmäßige Wartung (Werkzeug, IT)
- Zeitliche Freiheitsgrade schaffen
- Schichtübergaben optimieren, regelmäßige Teambesprechungen
Intensität (Menge/ Komplexität)
Was wird unter Intensität verstanden? Es handelt sich um die Menge der geforderten Arbeiten in Verbindung mit der zur Verfügung stehenden Zeit. Auch die Komplexität der Aufgabe im Verhältnis zur Zeit, die zur Verfügung steht, kann von Bedeutung sein.
Wann wird es kritisch?
- Arbeitsmenge zu hoch (zum Beispiel wegen Personalmangel)
- zu viele Termine und/oder Terminüberschneidungen
- häufig unvorhergesehene Zusatzaufgaben
- die Aufgabe ist sehr komplex
Mögliche negative Beanspruchungsfolgen/ Beschwerden:
- Depressive Störungen
- Angststörungen oder Zwangsstörungen
- Kardiovaskuläre Erkrankungen (insbesondere bei hoher Arbeitsintensität und wenig Handlungsspielraum oder einem Ungleichgewicht von quantitativen Anforderungen und Anerkennung)
So kann eine Lösung aussehen
- Das Team ändert die Arbeitsteilung.
- Ebenso kann man die Arbeitsmenge prüfen und anpassen.
- Die Belegschaft darf höhere Freiheitsgrade nutzen.
- Jede(r) bekommt die notwendige soziale Unterstützung.
- Technische Hilfen stehen zur Verfügung.
- Es wird das Personal aufgestockt.
- Die Arbeitenden können Fortbildungen machen.
- Das Zeitmanagement wird geändert.
Kommunikation, Kooperation
Was bedeutet Kommunikation und Kooperation am Arbeitsplatz? Beides ist notwendig zur Information und Abstimmung mit Kollegen, Vorgesetzten, Lieferanten. Und es geht sowohl um das Empfangen als auch um das Weitergeben von Informationen. Es gilt zu unterscheiden zwischen indirekter und direkter Kommunikation. Außerdem lohnt sich ein Blick auf die Ausprägung der Kommunikation: Erfolgen mehr Anweisungen oder werden Probleme und Aufgaben gemeinsam gelöst?
Wann wird es kritisch?
- Fehlende Kommunikation
- eingeschränkte Kommunikation bei großen, räumlichen Entfernungen über diverse Zeitzonen hinweg oder bei Sprachbarrieren
- überwiegend (oder ausschließliche) indirekte Kommunikation bei virtueller Projektarbeit, Außendienst etc.
Was können mögliche, negative Beanspruchungsfolgen sein?
- Kardiovaskuläre Erkrankungen
- Frustration
- Depression
Wie kann eine Lösung aussehen?
- Kommunikationsstruktur schaffen
- regelmäßige Teambesprechungen
- Einzelarbeit vermeiden
Soziale Beziehungen
Beziehungen zu Vorgesetzten
Das Miteinander zwischen Mitarbeitenden und Führungskräften ergibt sich aus der organisatorischen Einbindung der eigenen Arbeit in das Arbeitssystem, der erforderlichen beruflichen Interaktion und dem persönlichen Kontakt zum Vorgesetzten.
Kritisch wird es, wenn…
- die Arbeitsgruppe zu groß ist
- die Führungskraft zu viele administrative Aufgaben hat, sodass ihr keine Zeit zum Führen bleibt
- die Führungskraft unzureichend qualifiziert ist, sodass es an sozialer Unterstützung fehlt
- Konflikte mit Vorgesetzten entstehen, weil
- die Mitarbeitenden in Entscheidungen nur unzureichend einbezogen werden
- das Feedback und/ oder die Anerkennung fehlt
- der Führungskraft soziale und/oder kommunikative Kompetenzen fehlen
- überwiegend Kritik geübt wird und positive Würdigung fehlt
Diese Belastungen können negative Beanspruchungen bewirken und zwar insbesondere dann, wenn die Führungskraft kaum Wissen über gesunde Arbeitsgestaltung hat. Denn was jemand mit Führungsaufgaben nie vergessen sollte, ist, dass er/sie eine Vorbildfunktion einnimmt. Gerade die sozialen Beziehungen können im erheblichen Maße zu einer Erschöpfung beitragen, wenn die Belastung negativ erlebt wird.
Die Lösungen können vielfältig gestaltet werden:
- Rollen und Verantwortlichkeiten werden geklärt.
- Eine offene Kommunikation wird gefördert.
- Die Führungskräfteentwicklung erfolgt systematisch und kontinuierlich.
- Führungsleitlinien werden erstellt und gelebt.
- Feedbackgespräche finden sowohl top-down als auch bottom-up statt.
Beziehungen zu Kollegen
Jede arbeitsbezogene Interaktion bewirkt soziale Beziehungen. Soziale Unterstützung ist gegeben, wenn alle Mitarbeitenden Hilfe bei Problemen angeboten bekommen.
Kritisch wird es, wenn:
- die Unterstützung fehlt
- soziale Stressoren (Konflikte) vorhanden sind aufgrund von
- unklarer Aufgabenverteilung
- Ausgrenzung
- Diskriminierung
- Mobbing
- interkultureller Verständigungsprobleme
- das Vertrauen durch hohen Wettbewerbsdruck (Provision, Verteilung Projektgelder, Schaffung von weiteren Stellen) fehlt
So können die negative Beanspruchungsfolgen aussehen:
- Depression
- Angsterkrankung
- kardiovaskuläre Erkrankungen
Diese Lösungsansätze können helfen:
- Die Aufgaben werden anders verteilt.
- Die Rollenverteilung ist klar.
- Sowohl zeitliche als auch inhaltliche Freiheitsgrade werden geschaffen.
Arbeitsumgebung
Arbeitsplatzgestaltung
Die Arbeitsplatzgestaltung bezieht sich auf räumliche Verhältnisse und teilweise auch die Informationsgestaltung.
Eine kritische Ausprägung bedeutet:
- die Körperhaltung kann beim Arbeiten nicht verändert werden (gilt zum Beispiel für Busfahrer:innen)
- nur sitzende Tätigkeit
- fehlende Beinfreiheit
- die Anordnung der Arbeitsmittel ist körperfern
- die Kombination aus Arbeitsmitteln und Möbeln ist ungünstig
- die Lage von Anzeigeelementen ist ungünstig
- Anzeigeelemente sind defekt oder verschmutzt
Mögliche negative Beanspruchungsfolgen sind
- Stress
- psychische Ermüdung
- Gefühl von Wertlosigkeit
Eine Lösung könnte beinhalten:
- ergonomische Erkenntnisse werden beachtet
- technische Regeln für Betriebssicherheit werden aufgestellt (und eingehalten)
Arbeitsmittel
Alle Geräte, mit denen gearbeitet wird, werden als Arbeitsmittel bezeichnet.
Kritisch ist es, wenn
- Arbeitsmittel fehlende oder ungeeignet sind
- die Softwaregestaltung unzureichend ist
- Maschinen ungünstig eingerichtet sind (Position)
Was können mögliche, negative Beanspruchungsfolgen sein?
- Stresserleben
- psychische Ermüdung
Eine Lösung sollte beinhalten:
- ergonomische Erkenntnisse für die Arbeitsmittelgestaltung werden beachtet
- technische Regeln für die Betriebssicherheit werden aufgestellt und beachtet
- Verantwortlichkeiten sind klar
- Arbeitsmittel werden umfassend gepflegt
- der Einkauf von Arbeitsmitteln erfolgt vorausschauend
Arbeitsumgebung
Die Arbeitsumgebung greift physikalische Faktoren (Beleuchtung, Klima, Lärm) und chemische Faktoren (alle Stoffe, die in irgendeiner Form gefährlich sein könnten und zu Brand, Vergiftung, Umweltschädigung etc. führen können) auf.
Kritisch wird es, wenn
- extreme Hitze/ Kälte herrscht
- keine Schutzbekleidung oder -ausrüstung zur Verfügung gestellt wird
- die Beleuchtung zu gering oder zu stark ist
- der Lärmpegel (dauerhaft) sehr hoch ist
Wie sehen mögliche negative Beanspruchungsfolgen aus?
- Stress durch Blendung oder Lärm
- Angst
- In der Folge können sich psychische Ermüdung, Fehlhaltungen, Unfälle, Einschränkungen in der Beweglichkeit, Verspannungen ergeben
Eine Lösung sollte beinhalten:
- Schutzausrüstung anbieten und pflegen
- technische Regel
- bei Hitze/ Kälte: strikte Pausenzeiten, kostenlose Versorgung mit Getränken
- regelmäßige arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchung
Physische Faktoren
Die physischen Faktoren beziehen sich auf die ergonomische Gestaltung der Arbeit.
Eine kritische Ausprägung liegt vor, wenn
- die Mensch-Maschine-Interaktion ungünstig ausgestaltet ist
- vieles Über-Kopf-Arbeiten gefordert ist
- schwere Lasten gehoben und/oder getragen werden müssen
So können die negative Beanspruchungsfolgen aussehen:
- psychische Ermüdung
Was kann zu einer Lösung beitragen?
- Ungünstige Arbeitsbedingungen werden vermieden.
- Technische Regeln für Arbeitsstätten werden eingehalten.
- Maschinen werden genutzt, um die physische Belastung zu reduzieren.
Psychische Belastung am Arbeitsplatz in verschiedenen Branchen
Vergleich unterschiedlicher Arbeitsumfelder
Die psychische Belastung variiert stark zwischen verschiedenen Branchen. Während in der IT-Branche aber auch in der Werbung oft hohe Anforderungen und Zeitdruck vorherrschen, können in der Pflege körperliche und emotionale Belastungen dominieren. Jede Branche hat ihre spezifischen Herausforderungen. Hier eine Grafik aus dem Psyche-Report der DAK:
Besondere Herausforderungen
Besondere Herausforderungen ergeben sich oft in Berufen mit hohem Kundenkontakt (Einzelhandel, Gesundheitswesen, Dienstleistungen), Schichtarbeit (Gesundheitswesen, Polizei, Feuerwehr, Dienstleistungen) oder in unsicheren Beschäftigungsverhältnissen. Hier sind gezielte Maßnahmen besonders wichtig.
Maßnahmen gegen psychische Belastung am Arbeitsplatz
Weiter oben hatte ich dir bereits einige spezifische Tipps gegeben. An dieser Stelle will ich noch einmal globaler auf Maßnahmemöglichkeiten schauen:
Präventionsmaßnahmen
Präventionsmaßnahmen sollten sowohl körperliche als auch psychische Aspekte berücksichtigen. Ergonomische Arbeitsplatzgestaltung, regelmäßige Pausen und Stressmanagement-Programme sind nur einige Beispiele für effektive Strategien. So kann verhindert werden, dass Belastungen zu massiv werden.
Individuelle Strategien
Individuelle Strategien zur Bewältigung von psychischen Belastungen umfassen Techniken wie Zeitmanagement, Achtsamkeit und Entspannungsübungen. Auch regelmäßige Bewegung und eine gesunde Work-Life-Balance sind wichtig für alle. Doch all die individuellen Strategien funktionerien nicht, wenn nicht unternehmensweite Maßnahmen getroffen werden. Eine Patientin sagte mal so treffend: „Da kann ich mich ja „wund meditieren“ und werde trotzdem immer noch diesen Stress haben, wenn die Chefs nichts machen.“ Ganz genau! Strukturelle Probleme, die zu psychischer Belastung führen, wirst du mit einem Yogakurs am Abend nicht beseitigen.
Unternehmensweite Maßnahmen
Unternehmen können durch eine positive Unternehmenskultur, flexible Arbeitszeiten und die Bereitstellung von Unterstützungssystemen wie Employee Assistance Programs (EAP) erheblich zur Reduktion psychischer Belastungen beitragen. Mittlerweile existieren auch zahlreiche Apps und Softwarelösungen, die Mitarbeiter bei der Bewältigung von Stress unterstützen können.
Entscheidend ist, dass Unternehmen dies tun:
- Mitarbeitende ins Boot holen (Mitarbeiterumfrage!)
- Unternehmenswerte definieren und kommunizieren
- Maßnahmen ergreifen gemäß der Umfrageergebnisse
- konsequent sein in der Umsetzung
- Verstehen, dass jeder Vorbild für jeden ist – und die Führungsebene ist es im besonderen Maße.
Fazit
Psychische Belastung am Arbeitsplatz ist ein ernstes Thema, das sowohl Mitarbeitende als auch Arbeitgeber*innen betrifft. Durch gezielte Maßnahmen, eine offene Unternehmenskultur und die Unterstützung durch Führungskräfte können psychische Belastungen reduziert und die Gesundheit der Mitarbeitenden gefördert werden.
Psychische Belastung am Arbeitsplatz: Mein Angebot an dich
Falls du beim Durcharbeiten der Faktoren, die zu einer psychischen Belastung am Arbeitsplatz führen können, erkannt hast, dass mehrere Aspekte auf deine berufliche Situation zutreffen und du zugleich nicht den von mir beschriebenen Lösungsgedanken als hilfreich empfindest, lass uns sprechen!
Lass uns an deinem Thema arbeiten
Meine Lösungsideen hier können nur allgemein gehalten sein. Lass mich auf deine konkrete Situation schauen, sodass wir zusammen überlegen können, was dir helfen kann.
Nicht selten ist es eben auch eine Kombination aus einer Veränderung der äußeren Umstände und einem Trainieren einer neuen inneren Haltung. Und sowieso: Der Hauptstressor ist in vielen Fällen das Miteinander – sei es im Team, sei es zwischen Führungskraft und Mitarbeiter*in. Hier kann es wertvoll sein, die soziale Kompetenz (inklusive der Kommunikationsfähigkeiten) zu trainieren.
FAQs
Was sind häufige Ursachen für psychische Belastung am Arbeitsplatz?
Häufige Ursachen sind hohe Arbeitsanforderungen, mangelnde Unterstützung, unsichere Arbeitsverhältnisse und ein schlechtes Arbeitsklima.
Wie können Arbeitgeber*innen die psychische Gesundheit ihrer Mitarbeitenden fördern?
Arbeitgeber*innen können durch eine positive Unternehmenskultur, flexible Arbeitszeiten, Unterstützungssysteme und regelmäßige Schulungen zur Förderung der psychischen Gesundheit beitragen.
Welche gesetzlichen Anforderungen gibt es bezüglich psychischer Belastung am Arbeitsplatz?
In Deutschland regeln Gesetze wie das Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) und das Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) den Schutz der psychischen Gesundheit am Arbeitsplatz. Arbeitgeber*innen sind verpflichtet, Maßnahmen zum Schutz der psychischen Gesundheit zu ergreifen.
Wie erkennt man psychische Belastung bei Kolleg*innen?
Anzeichen können Veränderungen im Verhalten, Rückzug, Stimmungsschwankungen, häufige Krankmeldungen oder eine nachlassende Arbeitsleistung sein.
Welche Rolle spielen Führungskräfte bei der Prävention psychischer Belastung?
Führungskräfte spielen eine zentrale Rolle, indem sie eine unterstützende und offene Arbeitsumgebung schaffen, frühzeitig auf Belastungen reagieren und Mitarbeiter in schwierigen Situationen unterstützen.
Du hast Fragen zur psychischen Belastung am Arbeitsplatz?
Du kommst mit diesem Text ausschließlich allgemeine Informationen zum jeweiligen Gesundheitsthema, die keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben. Die Inhalte dienen damit nicht der Selbstdiagnose, -behandlung oder -medikation und ersetzen nicht den Arztbesuch oder die Therapie.
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