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Im Zentrum meiner täglichen Arbeit stehen oft starke Selbstzweifel. Es fehlt an Selbstbewusstsein, Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen. Sehr oft sind Frauen betroffen, die sich in Beruf und/oder Privatleben unbewusst klein machen. Aber es gibt auch Männer, die mit ihren Selbstzweifeln zu kämpfen haben. Erst letzte Woche kam wieder ein Mittzwanziger zum Termin, der sich und sein Handeln immer wieder bezweifelt.

Was ist Selbstbewusstsein?

Sich seiner selbst bewusst sein – das bedeutet, dass du dich intensiv mit dir selbst auseinandergesetzt hast und deshalb auch viel über dich weißt. Du kennst deine eigene Persönlichkeit. Dieses Wissen ist nicht einseitig: Du kennst deine Schokoladen- und deine Schattenseiten. Und du weißt auch, wie du auf andere wirkst. Feedback von anderen kannst du – weil du dich selbst kennst – passend einordnen. Das Selbstbewusstsein wird oft mit dem Selbstwert gleichgesetzt. Meiner Meinung nach ist das Selbstbewusstsein dem Selbstwert aber übergeordnet. Das Selbstbewusstsein ist die Summe eines starken Selbstwertes, welcher wiederum ein grundlegendes Selbstvertrauen beinhaltet, und der Fähigkeit sich selbst zu beobachten.  

Selbstvertrauen Definition

Was bedeutet Selbstvertrauen? Für viele ist Selbstvertrauen ein Gefühl. Mir ist jedoch wichtig, dass du auch die zweite Komponente erkennst: Vertrauen ist ein aktives Handeln. Und dieser Aspekt ist beim Stärken des Selbstvertrauens der viel wichtigere. Denn das Gefühl (des Selbstvertrauens) entsteht aus dem Handeln. Erst wenn du im Tun erlebst, dass

  • etwas funktioniert
  • du etwas erreichst
  • deine Aktivitäten eine Selbstwirksamkeit entfalten

entsteht das Gefühl des Selbstvertrauens. Die größte Hürde ist nun, die Tätigkeit zu definieren, die dich passend herausfordert. Sie darf dich nicht überfordern und gleichzeitig auch nicht gähnen lassen, weil sie Normalität für dich bedeutet. Sobald du fündig geworden bist, heißt es: Machen, machen, machen. Mehr dazu auch weiter unten.

Selbstwertgefühl Definition

Der Selbstwert setzt sich aus vier Bausteinen zusammen, einer ist das schon erwähnte Selbstvertrauen. Daneben gilt es aber auch, Selbstakzeptanz zu üben. Beide Aspekte haben sehr viel mit dir direkt, deinem Tun und der Wahrnehmung deiner Selbst zu tun. Beides kannst du super trainieren, denn du benötigst nur dich dafür! Neben Selbstakzeptanz und Selbstvertrauen darfst du zusätzlich zwei weitere Selbstwert-Säulen betrachten: Deine soziale Kompetenz im Besonderen und dein soziales Netz im Allgemeinen. Für diese beiden Aspekte werden andere Menschen erforderlich. Du findest übrigens ganz viel zum Selbstwert in meinem siebenteiligen Selbstwertspezial. Am besten du startest hier bei Teil 1.

Wie hängen Selbstbewusstsein, Selbstwert und Selbstvertrauen zusammen?

Wenn ein Defizit an Selbstbewusstsein und Selbstvertrauen in der Kindheit entsteht

Auch wenn du vielleicht in deiner Kindheit nicht ausreichend gestärkt wurdest oder belastende Dinge erleben musstest, heißt das nicht, dass du dauerhaft mit einem geringen Selbstbewusstsein, einem Selbstwertdefizit oder Selbstzweifeln leben musst. Ja, auch dein Selbstwertgefühl kann nachreifen und deine Selbstzweifel können sich verringern.

Ich nehme mich selbst da immer wieder gern als Beispiel: Ich bin eine Frühgeburt gewesen, wurde mit drei Jahren über mehrere Tage von meinen Eltern getrennt (ohne dass mir jemand erklärte, warum das wichtig war) und musste mit fünf Jahren für mehr als drei Wochen ins Krankenhaus aufgrund einer lebensbedrohlichen Infektion (und es waren nicht alle nett dort zu mir). Das waren Momente, in denen ich als sehr junger Mensch allein auf mich gestellt war und ich einen Teil des Vertrauens in die Welt, meine engsten Bezugspersonen und mich selbst verloren habe. Die Folge? Ich hatte Angst vor dem Telefonieren, vor dem Einkaufen im kleinen Tante-Emma-Laden um die Ecke und später holten mich Ängste in der weiterführenden Schule ein.

Mehr Selbstbewusstsein durch mehr Selbstvertrauen durch mehr aktives Tun

Der Ausweg? Ich habe früh angefangen mit mir selbst „zu arbeiten“ ohne zu wissen, was genau ich da tat. Nein falsch, ich wusste schon, was ich tat, aber die psychologischen Hintergründe waren mir unbekannt. Und so habe ich mir selbst Aufgaben gegeben: Als Vorschulkind bin ich regelmäßig in den Tante-Emma-Laden gegangen zum Einkaufen. Ich habe mir die paar Meter zum Laden immer wieder gesagt, was ich im Geschäft sagen will. So habe ich geübt, meinem Bedürfnis – „Ich möchte einen Liter Milch kaufen.“ – Ausdruck zu verleihen. Dass das Telefonieren für mich heute Normalität ist, war auch Training. Immer wieder ran an den Hörer – und eben nicht in die Vermeidung gehen.

Man wächst mit seinen Aufgaben? Ganz klar: Ja! Es geht hier aber wirklich um die eigenen Aufgaben, als das, was du, ich, wir alle selbst tun. Im Jahr 2010 stand ich als Zuhörerin vor einer großen Bühne und sagte zu mir: „Vor 1.000 Menschen sprechen? Ich? Niemals!“ Über die Zeit hinweg habe ich dann gelernt vor 10, 20, 60, 120 Personen einen Vortrag zu halten – weil ich es immer wieder gemacht habe. Wenn ich heute an diese große Bühne von damals denke, sage ich: „Jo, warum nicht.“

Die geheime Formel

Es ist also das Üben, das Praktizieren, das an die eigene, individuelle Grenze gehen. Immer wieder und wieder und wieder. Bevor ich dir eine Anleitung dafür gebe, lass uns aber auch noch schauen, wie du keineswegs dein Selbstwertgefühl steigerst. Damit du das verstehst, will ich dir zeigen, wie es schief gehen kann (und wie nicht).

Auf einem Spaziergang über die Felder traf ich mit meinem Hund Milton vor einigen Tagen auf eine Frau, die mit ihrem Hund auf einer Wiese Ball spielte. Milton ist mitten in der Pubertät, pöbelt sehr gern und viel und ist jedem Reiz grundsätzlich zugewandt. Wir trainieren regelmäßig, ihn aus der Anspannung, zu holen, damit er weniger pöbelt und hektisch ist.

Wie du dir vielleicht vorstellen kannst, war Milton also sehr neugierig und aufgeregt, als er den anderen Hund mit seinem Ball entdeckte. Er wollte nicht gleich weitergehen, sondern legte sich hin und beobachtete. Ich war stolz auf Milton, weil er nicht gepöbelt hat, und lud ihn nach einem Moment ein, mit mir weiterzugehen. Die Frau sah, dass ich meinen Hund streichelte und rief sofort rüber: „Das ist falsch! Wenn Sie wollen, dass er weitergeht, dürfen Sie nicht sein Verhalten belohnen. Sie müssen ihn einfach weiterzerren.“ Kannte dieser uns unbekannte Mensch Milton? Hatte sie Ahnung von seinen Pöbel-Allüren? Nein.

Es war ein Fortschritt für meinen Hund und die Frau erhaschte nur eine Momentaufnahme aus dem Verhalten von Milton und mir. Hatte ich sie um Rat gefragt? Nein. Hatte sie in Bezug auf Milton recht? Nein. War dieses Verhalten übergriffig? Ja.

Diese Frau hat mein Verhalten bewertet und gleichzeitig versucht, mir ihr Wissen zu präsentieren. Sie hat sich in mein Verhältnis zu meinem Hund eingemischt, ohne dass ich sie um Hilfe gebeten habe. Durch ihre Wertung hat sie ihr Hundeerziehungswissen auf die richtige Seite eingerdnet und mein Verhalten als falsch eingestuft.

    Das Grundbedürfnis nach Selbstwertstärkung auf ungesunde Weise bedienen

    Achte einmal drauf: Gar nicht mal so selten versuchen Menschen sich hervorzutun mit dem Beantworten von ungestellten Fragen. Vordergründig meinen diese Menschen helfen zu wollen. Aber diese Hilfe ist in der Regel ja gar nicht gefragt. Was ist also der echte Grund für dieses Verhalten? Es geht den Menschen nicht um das Gegenüber, die vermeintliche Hilfe ist tatsächlich nicht als Hilfe zu verstehen. Es ist vielmehr der Versuch der Selbstwertstärkung durch das Präsentieren der eigenen Person, zum Teil in Kombination mit einer Abwertung einer anderen Person. Diese Situationen sind nicht selten auf den ersten Hingucker getragen von Freundlichkeit und einer netten Konversation. Das zugrunde liegende Ziel ist subtil verpackt.

    Mit einer Business-Freundin L. habe ich vor ein paar Tagen in einem Zoom-Call über meine Social Media-Aktivitäten gesprochen. Sie hat mir auf der Grundlage meiner Schilderungen Tipps gegeben. Wir waren nach dem direkten Gespräch per Kurznachricht immer wieder in Kontakt zum Thema. Sie war so nett und hat mein Thema gedanklich weiterbewegt. Diese zusätzlichen Gedanken hat sie mir geschickt.

    Als L. von meinem Erlebnis mit Milton und jener Frau auf der Wiese erfuhr, hat sie sich Sorgen gemacht, dass ihre nachträglichen Tipps wohlmöglich auch übergriffig waren.

    Siehst du den Unterschied zwischen den beiden Situationen? Kannst du erkennen, dass L. sich nicht übergriffig verhalten hat? L. hatte Kenntnis von den Hintergründen, sie hat mir nicht ungefragt ihre Meinung gesagt. Und sowieso hat L. nicht meine bestehenden Tätigkeiten in Sachen Social Media herabgewürdigt, sondern mir Vorschläge unterbreitet, was ich zukünftig einfach zusätzlich mal ausprobieren könnte.

    Und genau das ist ja das Entscheidende: Es geht darum, den anderen Menschen nicht zu verurteilen, und nicht darum, keine Meinung zu haben. Es ist gut, die Meinung zu äußern, wenn sie erwünscht ist. Tust du das nicht, benutzt du dein Gegenüber für eine Selbstwertsteigerung, die nur von kurzer Dauer ist und die dich nicht nachhaltig von innen heraus stärkt.

    Selbstwertstärkung ganz praktisch und von innen heraus – eine Anleitung

    Bitte versteh, dass das, was ich dir jetzt beschreibe, ein längerer Prozess ist. Ich weiß, das widerspricht sehr dem heutigen Zeitgeist. Heutzutage soll alles schnell gehen. Mal eben schnell Selbstwertstärkung funktioniert aber leider nicht.

    Selbstvertrauen stärken, Selbstwert steigern

    Dies sind die einzelnen Schritte

     

    •  Schau nicht nach links und rechts.

    Es ist egal, wie weit andere sind beim Entwickeln von  mehr Selbstbewusstsein. Das, was die anderen schaffen, wirst du evtl. zu einem anderen Zeitpunkt auch schaffen. Geh in deiner Geschwindigkeit vor.

     

    • Erforsche deine Werte, dich und deine Herausforderungen.

    Was ist dir wichtig aus tiefsten Herzen? Es geht nicht um das, von dem andere vielleicht erwarten, dass es dir wichtig ist. Welche drei bis fünf TOP-Werte trägst du in dir. Diese können bei der Stärkung von Selbstbewusstsein, Selbstvertrauen und Selbstwert wichtig werden. Schreib sie am besten mal auf!

     

    • Akzeptiere, dass du Stand jetzt so bist, wie du halt bist.

    Sich selbst akzeptieren klingt viel einfacher als es am Ende ist. Was macht dich jetzt aus? Welche Schokoladen- und welche Schattenseiten hast du? Super ist es, wenn du dazu Listen anlegst. Dann kannst du dir immer wieder vor Augen führen, was dich alles ausmacht. Ich wette, das ist richtig viel! All das, was dich jetzt ausmacht, solltest du akzeptieren. Übe dies. Denn es ist ja Fakt. Und wenn du Stand heute bemerkst, dass du sehr wenig Selbstbewusstsein hast, dann kannst du daran jetzt weiter arbeiten.

     

    • Finde eine Herausforderung, die dich nicht überwältigt, sondern nur ein wenig „kitzelt“.

    Das ist gar nicht leicht, insbesondere wenn diese Herausforderung auch noch deinen Werten entsprechen soll. Aber da du nun ja deine Werte und deine Schokoladen- und Schattenseiten kennst, wirst du umso einfacher die Grenze deiner Komfortzone ermitteln können. Und wenn du diese Grenze kennst, dann kannst du auch definieren, was genau hinter dieser Grenze liegt. Exakt dies ist es, was du anschließend in den Mittelpunkt deines Übens setzt.

    Denn das ist etwas, das dich zwar herausfordert, aber eben auch nicht überfordert. Nimm mein Beispiel: Nicht gleich vor 1.000 Personen einen Vortrag halten, sondern vor drei. Oder fünf. Oder zehn. Je nachdem, wo halt die Grenze deiner Komfortzone verläuft.

     

    • Machen. Machen.

    Dieses Eine, das direkt hinter der Grenze deiner Komfortzone liegt, ist für die kommende Zeit deine Übung. Wiederhole dies, so oft es nur geht. Je öfter du übst, desto schneller wird es Normalität.

     

    • Wachse daran!

    Versteh dieses Vorgehen unbedingt als Prozess. „Mal eben schnell“ klappt es nicht. Es ist ein Selbstexperiment, bei dem du dein eigenes Versuchskaninchen und zugleich die achtsame Wissenschaftlerin (oder Wissenschaftler) bist. Nimm wahr, was dein Üben mit dir macht. Beobachte die Veränderungen und zieh deine Schlüsse daraus. Nach einer gewissen Zeit wirst du sehr wahrscheinlich merken, dass sich die Grenze deiner Komfortzone nach außen verschoben hat. Anders ausgedrückt: Das, was zuvor noch herausfordernd war, ist auf einmal normal. Glaub mir, das Ganze funktioniert. Du benötigst nur Geduld mit dir selbst und Motivation.

    Hallo, Selbstoffenbarung!

    Und wann immer du jemanden erlebst, der meint, dir ungefragt seine Meinung aufdrücken zu müssen:

    Hör mal genau hin, was die Person über sich selbst sagt, wenn sie spricht. Denn wann immer wir etwas sagen, sagen wir auch etwas über uns selbst. Friedemann Schulz von Thun, ein sehr bekannter Kommunikationspsychologe, bezeichnet dies in dem von ihm entwickelten Kommunikationsquadrat als Selbstoffenbarung.

    Also, horch das nächste Mal hin, wenn jemand nicht gestellte Fragen beantwortet. Vielleicht bemerkst du dann so etwas wie Überheblichkeit, Egozentrik oder Besserwisserei. Vielleicht bemerkst du zwischen den Zeilen so etwas wie „Ich hab den vollen Durchblick und du musst belehrt werden.“ Aber egal, was genau es am Ende ist: Ist es nicht traurig, dass jemand sich auf diese Weise hervortun muss? Und hast du es nötig, genauso zu sein?

    Fazit

    Selbstvertrauen und Selbstbewusstsein entwickelst du nicht, indem du dich im Übermaß vor anderen produzierst. Halte dich an die oben beschriebenen Schritte und lass dich auf das Selbstexperiment ein. Übe – am besten täglich ein bisschen. Du wirst merken, dass sich etwas ändert mit der Zeit. Geringes Selbstbewusstsein oder wenig Selbstvertrauen ist nicht angeboren. Das muss nicht so bleiben. Lass dieses „Ich bin halt schüchtern.“ hinter dir. Schüchternheit hast du dir antrainiert. Verwechsle das bitte nicht mit Introvertiertheit.

    Ja, wenn du introvertiert bist, dann ist das Teil deiner Persönlichkeit. Dann bist du eher ruhig und stehst lieber nicht im Mittelpunkt. Doch auch ein introvertierter Mensch darf Selsbtvertrauen und Selbstbewusstsein haben. Also, leg los! Und wenn du Hilfe dabei brauchst, sag mir gern Bescheid.

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