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Welche Säulen der Stressbewältung gibt es?

Jede Person ist heutzutage mehr als gestresst und alle haben zig gute Ratschläge, was du gegen Stress tun kannst. Heute will ich dir zeigen, welche drei Bereiche du aktiv angehen solltest, damit es mit der Stressbewältigung klappt. Diese drei Bereiche nennt man auch  „Säulen der Stressbewältigung“.

Reicht eine Maßnahme gegen Stress?

Immer wieder höre ich:

  • „Wir machen einmal im Jahr einen Gesundheitstag. Da machen wir schon viel, viel mehr als unsere Nachbarn hier im Gewerbegebiet.“
  • „Einmal in der Woche gehe ich zu meinem Entspannungs-Kurs, da mache ich doch wirklich schon genug für meine Stressbewältigung.“
  • „Ich habe bereits 15 Ratgeber-Bücher zum Thema durchgelesen.“

Fein. Diese Menschen haben etwas getan, um mit dem vielleicht spürbar vorhandenen Stress in ihrem Leben besser zurecht zu kommen. Dasselbe gilt für Unternehmen, die den klassischen Gesundheitstag durchführen. Aber recht das aus?

 

Was braucht der Mensch, um wirklich nachhaltig Stress zu bewältigen?

Wenn wir Stress erleben, dann geht es immer um:

  • bestimmte Auslöser (äußerlich und innerlich)
  • Anspannung in Situationen
  • eingefahrene Verhaltensweisen
  • Handlungsautomatismen
  • evtl. Beziehungen/ Konflikte
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Es kann richtig toll sein, während eines Gesundheitstages verschiedene Wege in Sachen Stressbewältigung kennen zu lernen. Aber ändert sich damit die Situation am Arbeitsplatz?

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Prima, wenn du an einem Entspannungskurs teilnimmst. Doch kommt es dadurch zur Veränderung meiner Verhaltensweisen in bestimmten Situationen?

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Und es kann sinnvoll sein, mittels Bücher sich Fachwissen anzueignen. Aber reicht es aus, wenn ich meinen Verstand mit noch mehr Wissen füttere, um dem Stress nachhaltig ein Schnippchen zu schlagen?

Meine langjährigen Erfahrungen auf dem Gebiet mit vielen, vielen Menschen haben mir gezeigt: Nein, nur eine einzelne Maßnahme reicht nicht. Es gilt vielmehr, eine ganzheitliche Herangehensweise zu nutzen und diese drei Säulen gleichberechtigt nebeneinander zu betrachten:

Die 3 Säulen der Stressbewältigung im Einzelnen

Welche Strategien helfen dir, um insgesamt gelassener auf Belastungen reagieren zu können?

Die regenerativ-palliative Stressbewältigungsstrategie

Rechts in der Grafik befindet sich die palliativ-regenerative Säule, die die Themen Sport und Entspannung aufgreift. In Bewegung kommen (moderat!) und zugleich aktive Entspannung zu erlernen (und regelmäßig zu üben!) sind essentiell notwendig bei der Bewältigung von Stress.

Stresshormone ausschwemmen durch Sport.
Stressbewältigung durch Yoga

Dies ist also eine körperlich orientierte Strategie, die in der Regel am einfachsten für viele Menschen umsetzbar ist. Denn

  • Du brauchst nur dich selbst und deinen Körper.
  • Sie wirkt unmittelbar auf das Wohlbefinden und beeinflusst deine Stressantwort.

Um was geht es hierbei?

Zum einen bezieht sich diese Strategie der Stressbewältigung auf den aktiven Abbau der durch den Stress ausgeschütteten Stresshormone, zum anderen gilt es, die eigene Entspannungsfähigkeit zu erweitern.

Ich beobachte, dass immer mehr Menschen immer weniger in der Lage sind, sich selbst aktiv zu entspannen und stattdessen – beinahe verzweifelt – passive Wege suchen. Aber mal eine Massage oder das abendliche TV-Berieselungsprogramm tragen nicht dazu bei, dass du nachhaltig eine gesunde Stressbewältigungsstrategie aufbaust. Da ist anderes gefordert!

Welche Methoden gehören im Einzelnen zu dieser Strategie?

  • Moderater Ausdauersport (joggen, spazieren gehen, radeln, schwimmen, Rollschuh laufen…) Die Betonung liegt auf „moderat“ und sollte nicht zu körperlichem Stress oder Leistungsdruck führen. Die Gratwanderung ist alles andere als leicht, denn gerade die hochgradig Leistungsorientierten tendieren dazu, dann auch noch in der Freizeit überambitioniert Sport zu treiben und nach dem stressigen Job das Anspannungslevel beim Feierabendsport hochzuhalten.
  • Aktive Entspannungsmethoden (Yoga, progressive Muskelentspannung, autogenes Training, Meditation, Tai Chi, Feldenkrais,…) Bitte schau, dass du eine Methode wählst, die wirklich zu dir passt.

Hier beobachte ich zwei problematische Tendenzen, von denen ich immer wieder in den Erstgesprächen mit Patienten höre:

  • Menschen, die sich selbst als sehr kopflastig bezeichnen und Probleme mit dem Grübeln haben, wählen „gern“ das autogene Training.
  • Menschen, die sehr leistungsorientiert und perfektionistisch veranlagt sind, beginnen gern mit Meditation.

In beiden Fällen sage ich in der Regel: Bitte nicht damit weitermachen. Denn erstens löst du das Problem nicht auf der Ebene, auf der es entsteht. Vielmehr verstärkst du es auf diese Weise. Deshalb rate ich einer Person mit einem Grübel-Problem eher vom autogenen Training ab.

Und zweitens ist Meditation einer der herausforderndsten Wege zur aktiven Entspannung überhaupt. Die Gefahr, sich noch mehr unter Leistungsdruck zu setzen ist sehr hoch, insbesondere weil sich die Personen Übungszeiten von 15 Minuten und mehr zu Beginn auferlegen. Andere Wege sind meist deutlich effektiver und frustrieren einen Anfänger weniger.

Die kognitive bzw. mentale Strategie zur Stressbewältigung

In der Mitte der Grafik findest du die kognitive Säule, welche die inneren Prozesse fokussiert. Hier dreht sich alles um innere Kritiker, Überzeugungen, Einstellungen – die teilweise schon in der Kindheit im Elternhaus geprägt wurden und somit Jahre bzw. Jahrzehnte Zeit hatten, sich zu verfestigen.

Den meisten Stress machen wir uns selbst - mentale Strategien helfen dagegen.

„Innenwelt“ bezieht sich nicht nur auf die kognitive Ebene. Stressbewältigung darf nicht auf die Ebene des Verstandes reduziert werden, viel wichtiger sind die emotionale Ebene und die Ebene der Überzeugungen.

Mentale Stressbewältigung beinhaltet die intensive Auseinandersetzung mit der eigenen Persönlichkeit, den Werten und den Charakterzügen.

„Während einige Persönlichkeitsaspekte angeboren sind, werden Werte, Kompetenzen und auch Überzeugungen bzw. Glaubenssätze erworben.

Gerade mit Blick auf die Stressantwort ist die Ebene der Überzeugungen und Glaubenssätze interessant. Innere Kritiker können dazu beitragen, dass eine ohnehin vorhandene Belastung noch stärker als stressend wahrgenommen wird. Diese inneren Kritiker musst du jedoch nicht als einfach gegeben hinnehmen, sondern du kannst an ihnen arbeiten.

Hierfür habe ich übrigens ein Programm entwickelt mit dem Namen „Ciao, innerer Kritiker – Wie ich meinem inneren Kritiker auf die Schliche komme und meinen Stress-Typen entlarve“. Näheres dazu findest du hier. Und wenn du grundsätzlich daran interessiert bist, deine Persönlichkeit besser kennenzulernen, dann ist wohlmöglich eine Analyse auf wissenschaftlicher Basis ein guter Weg. Ich setze den „LINC Personality Profiler“ ein auf der Grundlage des „Big Five-Persönlichkeitsmodells“. Dazu findest du mehr hier.

Die instrumentelle Stressbewältigungsstrategie

Kehren wir zur Grafik zurück! Ganz links findest du die instrumentelle Säule, die sich mit den Gegebenheiten im Außen befasst. Hier ist es irrelevant, ob die Arbeit oder ein privater Bereich den Betroffenen stresst. Es gilt, genau hinzuschauen, um die auslösenden Faktoren zu identifizieren. Denn zuweilen sind die Stress erzeugenden Aspekte nicht sofort offensichtlich und sehr oft spielt das nicht greifbare Miteinander, die Art der Kommunikation, eine wichtige Rolle.

Das kann ein Konflikt in der Familie sein oder die Aufgabenüberlastung am Arbeitsplatz. Es gilt hier zu prüfen, inwieweit die Situationen gewandelt werden kann:  

  • Kannst du den Konflikt bereinigen?
  • Können Aufgaben umverteilt werden?
  • Kannst du durch eine Fortbildung die notwendigen Fähigkeiten für eine Aufgabe erlernen?
  • Bist du bereit, dauerhaft eine bestimmte Situation nicht mehr aufzusuchen?
Stressbewältigung durch das gezielte Verändern der Situation

Im besonderen Maße greift hier der Spruch „Love it, change it oder leave it“. Wann immer du belastende Situationen erlebst, prüfe, was du aktiv verändern kannst. Sollte dauerhaft keine Änderung möglich sein, solltest du in Erwägung ziehen, die Situation zu verlassen. In meiner Arbeit mit Menschen geht es dann um den Arbeitsplatzwechsel, Scheidung oder sogar Auswanderung.

Wenn ich Menschen mit diesen Themen begleite, ist mir immer wichtig mit ihnen gemeinsam zu klären, wo genau das Problem liegt. Mit einer simplen Flucht vor etwas, ist dir in der Regel nicht geholfen. Bedenke: Deine Persönlichkeit, deine innere Haltung, nimmst du immer mit bei deiner Flucht. Wenn du also beim kleinsten Problem im Job kündigst, kann es sein, dass du im nächsten Job sehr schnell wieder mit dem altbekannten Problem konfrontiert wirst. Dasselbe gilt übrigens bei der Partnerwahl.

Die vierte, wichtige Komponente

Darüber hinaus ergänze ich diese sehr gute Übersicht, die Professor Dr. Gert Kaluza entwickelt hat, um eine weitere Komponente, die in der 3-Säulen-Schematik nach meinem Empfinden zu kurz kommt:

Die Übergänge zwischen den Bereichen erweisen sich als fließend, die Inhalte der genannten drei Säulen bedingen sich gegenseitig. Und jede der Säulen setze ich in meiner Arbeit mit der Emotions- bzw. Bedürfnisebene in Relation, sodass man als Stressgeplagte(r) immer mehr bei sich und seiner Persönlichkeit ankommen kann und die innere, wohlmöglich nur wenig gelebte Bedürftigkeit mit den äußeren Umständen durch sehr achtsames Wahrnehmen abgleichen kann. Denn ich stelle immer wieder fest, dass Stress oft in Verbindung steht mit dem Nicht-Aussprechen von Erwartungen bzw. dem Nicht-Ausleben von Wünschen:

  • Da wird eine Ausbildung absolviert, weil die Eltern sagten „Mach was Sicheres!“.
  • Es wird ein Beruf ausgeübt, der nicht zur ureigenen Persönlichkeit passt.
  • Jemand schlägt einen bestimmten Lebensweg ein, weil „man das halt genau so macht in meinen Kreisen“.

Dies zu erkennen, ist ein wichtiger Schritt in Richtung der grundsätzlichen Stressbewältigung.