Seite wählen

Yoga und betriebliche Gesundheitsförderung

Hätten Sie´s gewusst? In immer mehr Organisationen passiert mittags  – oder im Laufe des Tages – etwas, was beim ersten Hinschauen so gar nichts mit den betrieblichen Tätigkeiten zu tun hat. Da werden Matten ausgerollt, da wird ganz tief geatmet, da werfen sich Führungskräfte in Jogginghosen, da befasst man sich mit herabschauenden Hunden, Krokodilen oder Katzen.

Kurz: Da finden im Arbeitsalltag Mitarbeiter, Führungskräfte und – wenn es richtig gut läuft – die Geschäftsleitung Zeit für Yoga.

Warum?

Weil Yoga nachweislich (!) ein gut wirksames Werkzeug zur Stressbekämpfung und -prävention ist. Mittlerweile beweisen dies zahlreiche Studien und nicht ohne Grund ist Hatha Yoga von den Krankenkassen als Präventionsmethode anerkannt. Ich spreche übrigens in diesem Artikel ausschließlich von Hatha Yoga. Für alle anderen Wege wie zum Beispiel Kundalini Yoga oder die tibetischen Heilyogarichtungen wie Kum Nye oder Lu Jong existieren zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht genügend Nachweise in Sachen Stressbewältigung – wenngleich viele, die diese Richtungen praktizieren, einen gesundheitsfördernden Effekt spüren.

Ist Yoga im Betrieb anders als Yoga in Yogaschulen oder in klassischen Abendkursen?

Ja und nein. Es kommt ganz darauf an, was der Betrieb sich wünscht und was vor Ort realisierbar ist! Es gibt Unternehmen, die den Mitarbeitern tatsächlich Yogaunterricht auf Matten anbieten. Die größte Hürde sind da meist die räumlichen Gegebenheiten. Nicht jeder Betrieb hat einen relativ großen Raum, der schnell freigeräumt werden kann. Aus diesem Grund findet in den meisten Betrieben eine andere Art des Übels statt, die ich gern als Business-Yoga oder Office-Yoga bezeichnet: Für die Übungen benötigt man keine Matten. Stattdessen wird „platzsparend“ stehend und/oder auf Stühlen sitzend geübt. In der Regel tragen die Teilnehmer dabei ihre normale Arbeitskleidung.

Das Tolle dabei ist, dass die Übenden erkennen: „Hey, ich brauche gar nicht viel, sondern kann sogar mal eben zwischendurch und direkt am Arbeitsplatz auf meinem Stuhl eine Entspannungs- oder Dehnübung machen.“ Darüber hinaus achte ich beim Konzipieren eines Office-Yoga-Kurses im besonderen Maße darauf, dass die Übungen zu den Stressthemen bzw. den körperlichen Belastungen im Unternehmen passen. Das kann zum Beispiel bedeuten, dass in Betrieben, wo überwiegend sitzende Tätigkeiten durchgeführt werden, der Fokus auf den Schulter-Nacken-Bereich und die Muskelverkürzungen auf der Körperrückseite gelegt wird.

Kann jeder auf diese Weise Yoga machen oder benötigt man Vorkenntnisse oder gar bestimmte Fähigkeiten?

Definitiv kann jeder, der nicht akut krank oder körperlich massiv eingeschränkt ist, an derartigen Office-Yogagruppen teilnehmen. Starke grippale Infekte, frische große OP-Narben, Zerrungen, Überdehnungen etc. zählen zu den Akuterkrankungen. Ebenso sollten Menschen, die vor Kurzem eine OP hatten, erst in Ruhe den Heilungsprozess durchlaufen, bevor sie mit Yoga beginnen. Körperlich eingeschränkt können zum Beispiel stark adipöse Personen sein oder Personen, die von Lähmungen betroffen sind oder dauerhafte Gelenkschädigungen haben.

Hier kann es sinnvoll sein, zumindest ein Vorgespräch zu führen oder eine Einzelstunde zu buchen, sodass Varianten von Übungen besprochen und ausprobiert werden können. Vorkenntnisse sind grundsätzlich nicht notwendig für Office-Yoga. Wer mit dem Joggen anfängt, rennt auch nicht gleich beim Hanse-Marathon mit.

Und wer Krafttraining beginnt, stemmt nicht sofort 100 kg. Die Ausrede „Ich kann kein Yoga machen, weil mein Körper nicht so dehnbar ist“ zählt nicht. Das wäre genauso, als wenn ich sage, dass ich nicht duschen gehen kann, weil mein Körper verschwitzt ist. Ich gehe duschen, WEIL ich verschwitzt bin – ich beginne mit Yoga, WEIL ich dehnfähiger werden möchte. Eine weitere Personengruppe sollte im Vorwege gut abklären, ob Yoga das Richtige ist: Schwangere! Office-Yoga ist kein Schwangerschaftsyoga. Es sollte  u n b e d i n g t mit dem behandelnden Arzt besprochen werden, ob Yoga gut ist für die Schwangere und das Ungeborene. Ich als Kursleitung kann diese Verantwortung nicht tragen.

Warum sollte ein Unternehmen Yoga im Betrieb anbieten?

Wie schon geschrieben: Die Stressreduzierenden Effekte von Yoga sind nachgewiesen. Dieses Werkzeug ist ein ganzheitlicher Weg, um im Sinne der Definition der WHO Gesundheit (wieder) zu erlangen. Diese Definition besagt:

Gesundheit ist ein Zustand des vollständigen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlergehens und nicht nur das Fehlen von Krankheit oder Gebrechen.

Dadurch, dass Yoga mehr ist als ein Turnen auf der Matte (oder dem Stuhl), sondern auch mentale Prozesse und soziale Aspekte in das Üben integriert, kann man diese Methode als das berühmte „Rundum-Sorglos-Paket“ bezeichnen, welches immer wieder neu und ganz kreativ ausgestaltet werden kann mit Atemübungen, Körperübungen, kleinen Meditationen oder Fantasiereisen. Yoga kann dazu beitragen, dass sich Verspannungen verringern (oder verschwinden), dass innere Unruhe oder Angst (vor Präsentationen, vor Kunden, vor Vorgesetzten etc.) sich reduziert, dass zuvor stressende Momente anders wahrgenommen werden und dass die Übenden insgesamt achtsamer mit sich, den Kollegen und Kunden umgehen.

Aber das kostet ja was.

Ja, natürlich. Gesundheit kostet immer etwas, wenigstens ist das Zeit. Jedem muss unbedingt klar sein, dass Gesundheit nicht vom Himmel fällt und keine Selbstverständlichkeit ist. Für Gesundheit muss jeder – ich wiederhole: JEDER – etwas tun. Und es ist toll, wenn Unternehmen sich dazu entschließen, den monetären Aspekt zumindest anteilig zu übernehmen. Jedem Mitarbeiter sollte klar sein, dass auch er eben investieren muss, damit es ihm langfristig gut geht. Und das Tolle am Office-Yoga ist ja, dass das Angebot direkt im Unternehmen stattfindet.

Die Teilnehmer haben also nicht die Herausforderung, abends nach der Arbeit loszumüssen. Wie oft erlebe ich es, dass die Teilnehmer meine Abendgruppen sich abhetzen, um es rechtzeitig in den Unterricht zu schaffen. Natürlich gilt es für das Unternehmen, darüber zu diskutieren, wie mit den Yogazeiten umgegangen werden soll: Ist das Freizeit, Pausenzeit, werden „Minus-Stunden“ aufgebaut? Sinnvoll ist es, diese Gedanken mit der Frage zu kombinieren, wer in welchem Umfang für die Kosten aufkommt. Aus meiner Sicht, sollte jeder einen Beitrag leisten. Ist etwas kostenlos, ist es für viele gefühlt „nichts wert“ und darunter leidet – so meine Erfahrung – vielfach die beständige Teilnahme.

Und apropos Kosten: Betriebliche Gesundheitsförderung wird bezuschusst.

Sogar dem Staat ist mittlerweile bewusst, wie wichtig die Gesunderhaltung der Bevölkerung ist und insbesondere eben auch die Erhaltung der Arbeitsfähigkeit. Immer noch nutzen dennoch nur wenige Unternehmen den Freibetrag von 500 EUR je Mitarbeiter und Jahr, den der Staat bietet. Hier und hier finden Sie die entsprechenden gesetzlichen Grundlagen und weitere Informationen.

Die Bedeutung des Präventionsgesetzes

Darüber hinaus sollten wir das Präventionsgesetz nicht aus den Augen verlieren. In diesem Gesetz fordert der Staat ein eindeutiges Verhalten von Seiten der Krankenkassen, die aufgefordert sind Schwerpunkte zu setzen. Und diese Schwerpunkte sehen vor, dass die Gesundheit in bestimmten, sogenannten „Lebenswelten“ bevorzugt gefördert werden soll. Zu diesen Lebenswelten zählt z.B. der Arbeitsplatz. Dagegen soll langfristig auf individuelle Forderungsmaßnahmen weniger der Schwerpunkt gelegt werden.

Das bedeutet übersetzt: Betriebliche Gesundheitsförderung soll monetär mehr unterstützt werden, während die Individualmaßnahmen (klassischerweise die Kurse am Abend) – langfristig betrachtet – weniger bezuschuss werden sollen. Dies kann bedeuten, dass die Teilnehmer von Individualmaßnahmen zukünftig wohlmöglich eine geringere Erstattung erhalten oder weniger Kurse belegen dürfen. Wann „zukünftig“ ist, ist noch nicht definiert. Umso wichtiger wird es also, direkt am Arbeitsplatz entsprechende Maßnahmen zu platzieren.