Wenn du diese Serie fleißig verfolgst, hast du bist heute schon viele Informationen bekommen zum Selbstwertthema. Und ich hoffe, dass du dich auch mit der einen oder anderen Übung ausprobiert hast.
Heute verlassen wir die intensive Innenschau und machen den ersten Schritt ins Miteinander. Es geht um deine soziale Kompetenz!
Wenn du den vorherigen Beitrag zum Thema „Selbstvertrauen“ aus der Selbstwert-Serie“ noch einmal lesen willst, dann klick bitte hier. Und falls du Anmerkungen oder Fragen hast, dann sende mir gern eine Email:
Soziale Kompetenz: Was ist das?
Ein gesundes Selbstwertgefühl speist sich nicht nur aus den Komponenten Selbstakzeptanz, Selbstvertrauen und Selbstzuwendung. In einem nicht unerheblichen Maß trägt das Miteinander mit anderen Menschen dazu bei, wie viel Selbstwertgefühl wir spüren. Der Mensch ist und bleibt ein „Herdentier“, das Kontakt zu anderen braucht. Für ein kleines Kind ist dies sogar überlebenswichtig. Bindung und Beziehung tragen auch maßgeblich zur Gesundheit bei. Wer schon einmal in einem meiner Vorträge war oder an einem Balance-Workshop teilgenommen hat, erinnert sich vielleicht. Bin auf Hormonebene ist es nachweisbar, wie gute Kontakte entstressen.
Hier siehst du noch einmal in der Übersicht, wo wir thematisch heute stehen und um was es in diesem Beitrag geht:
Deine soziale Kompetenz beantwortet die Frage, wie es um deine Kontaktfähigkeit steht. Bitte versteh dies nicht falsch: Es geht nicht darum, dass du Meister des Small Talks bist oder wirst, auf jede Feier rennst und dort im Mittelpunkt stehst. Auch introvertierte Menschen können eine sehr gute Kontaktfähigkeit besitzen, genauso wie extrem extravertierte Menschen durchaus eine schlechte Kontaktfähigkeit besitzen können.
Hast du Lust, einfach mal einen Moment inne zu halten und an den letzten Kontakt denken, den du zu einem Menschen aufgebaut hast:
- Wann war das?
- Wo war das?
- Mit wem hattest du Kontakt?
- Wie verlief der Kontakt?
- Wie wohl hast du dich im Kontakt gefühlt?
Heute im Bastelladen
Meinen letzten Kontakt hatte ich vorhin zu der Kassiererin in einem Bastelladen in Ottensen. Das Licht an der Kasse war ziemlich schlecht und sie brauchte eine Weile, um zu erkennen, welche Münzen ich ihr beim Bezahlen gegeben habe. Sich selbst erklärend sagte sie, dass ihre Augen nicht die besten seien und das Licht mache nicht leichter. Ich sagte ihr, dass ich das nur zu gut kennen würde, denn jedes Mal in „meinem“ Supermarkt ist das Licht an der Kasse so miserabel, dass ich nie wirklich erkennen kann, welche Münzen ich aus der Geldbörse krame. Die Kassiererin im Bastelladen musste lachen. Ich denke, ich lehne mich nicht zu weit aus dem Fenster, wenn ich vermute, dass sie den Kontakt ähnlich erlebt hat wie ich: wertschätzend und entspannt.
Das Ganze hätte auch anders laufen können: Ich hätte schweigen können. Oder ich hätte mich auch unfreundlich über ihre Langsamkeit äußern können – polterig nach dem Motto „Mit Brille hat man mehr vom Leben“. Wie siehst du das? Wie hättest du reagiert? Ich finde, dass beide zuletzt beschriebenen Varianten nicht so toll gewesen wären.
Kontaktfähigkeit kannst du tagtäglich im Kleinen üben. Die Kassiererin im Bastelladen, der Bäcker, der Postbote, die Nachbarin – wie gehst du mit diesen Menschen um, wenn du ihnen begegnest. Du hast ja immer wieder von Neuem die Wahl. Wie wertschätzend begegnest du den Personen, wie sehr siehst du sie wirklich in ihrer Individualität? Wenn du im Supermarkt auf einen der modernen Bezahlautomaten triffst, dann fällt der Kontakt weg. Erkennst du es wirklich noch, wenn da ein Mensch sitzt? Gehst du in Kontakt?
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Mehr Selbstwert durch stabile soziale Kompetenz.
Zuvor habe ich dir ein wirklich sehr simples Beispiel eines gelungenen Kontakts beschrieben. Ja, das war keine große Sache da an der Kasse im Bastelladen. Es handelte sich nicht um einen Ehestreit oder einen Konflikt mit der Chefin oder dem Vorgesetzten. Keine Frage, da ist ein Unterschied. Und auch wenn ich einen Streit mit der Kassiererin gehabt hätte, wahrscheinlich würde ich sie danach ja nicht so schnell wiedersehen und sie spielt auch sonst keine Rolle in meinem Leben – mein Partner/ meine Partnerin bzw. meine Chefin/ mein Chef schon. In diesem Fällen wird meine Kontaktfähigkeit im besonderen Maße gefordert, besonders wenn es Ärger gibt.
Nimm dir noch einmal einen Moment Zeit und überlege, wie du dich erlebt, als du das letzte Mal einen Konflikt hattest. Beschönige dabei nichts. Wie warst du wirklich? Cholerisch? Eiskalt? Anklagend? Tobend? Stumm? Hast du gar um dich geschlagen oder Geschirr zerschlagen? Erkennst du vielleicht sogar ein Muster? Die Newsletterabonnenten können sowohl bei diesen Fragen zum Konfliktverhalten als auch für die Fragen zum letzten Kontakt einen Arbeitsbogen nutzen, um das Thema zu vertiefen. Du willst keinen Arbeitsbogen und keine Übungsintensivierung mehr verpassen? Dann abonnieren doch auch den Newsletter!
Starker Selbstwert bedeutet: wertschätzend und offen in Kontakt gehen
Das, was jetzt kommt, bedarf einer Grundlage. Und die haben wir in den letzten Wochen aufgebaut – sofern du die Übungen mitgemacht und regelmäßig trainiert hast. Wenn es gut gelaufen ist, dann hast du über mehrere Wochen nun Achtsamkeit – Selbstzuwendung – geübt. Du hast gelernt wahrzunehmen, nämlich in erster Linie erst einmal intensiv dich selbst. Und dieses Gelernte gilt es nun zu übertragen auf das Miteinander mit anderen Personen.
Lass uns noch einmal zurückspringen in die Situation im Bastelladen an der Kasse. Was hätte ich dort alles wahrnehmen können mit Blick auf die Kassiererin:
- vielleicht Verunsicherung wegen ihres schlechten Sehvermögens
- vielleicht das Bedürfnis, am Abend eine stimmige Kasse zu haben
- vielleicht Frust, dass niemand sich um die schlechten Lichtverhältnisse kümmert
- vielleicht die Sorge, dass mir das alles zu langsam geht
All das kannst du vielleicht spüren beim Gegenüber. Wenn du jetzt sagst, dass du das nicht kannst, kannst du dennoch etwas anderes ausprobieren: Versetz dich in die Lage deines jeweiligen Gegenübers und stell dir vor, du selbst wärst verunsichert, bedürftig, frustriert, besorgt etc.
Vielleicht erkennst du nun auch, warum Achtsamkeit und eine daraus resultierende Grundgelassenheit den Situationen gegenüber so wichtig ist. Denn nur mit einer gewissen Gelassenheit bist du überhaupt in der Lage, einen gewissen Abstand aufzubauen und das zuvor Beschriebene zu schaffen. Bist du selbst gerade ein Nervenbündel, dann wird das mit größter Wahrscheinlichkeit nicht klappen.
In Kontakt sein heißt kommunizieren
In dem Moment, in dem du spürst, was im anderen vor sich geht, kannst du die Situation in ihrer Gesamtheit viel besser einordnen. Wenn es richtig gut läuft, kannst du sogar wahrnehmen, ob du dich mit deinem Gegenüber noch auf der Sachebene oder schon auf der Beziehungsebene bewegst. Das ist besonders bei Konflikten sehr hilfreich.
Wenn du also erahnst, welcher Film im anderen abläuft, dann ist es an dir zu entscheiden, ob du zu ihm bzw. ihr auf dieselbe Ebene gehst, um wertschätzend und vielleicht sogar harmonisch zu kommunizieren. Natürlich kannst du dich auch für genau das Gegenteil entscheiden.
Die Frage ist, was du am Ende davon hast. Damit wir uns nicht missverstehen:
Wertschätzung heißt nicht, dass du auf Kuschelkurs mit dauerhaft kreideweicher Stimme gehen musst. Es ist legitim, unterschiedlicher Meinung zu sein.
Es ist auch legitim, mal verärgert über einen Sachverhalt zu sein. Eine andere Meinung und auch Ärger kann man wertschätzend zum Ausdruck bringen.
Soziale Kompetenz braucht gutes Zuhören
Vielleicht kennst du Friedemann Schulz von Thun nicht. Dann lernst du zumindest eine seiner genialen Theorien jetzt kennen. Schulz von Thun ist ein begnadeter Kommunikationspsychologe. Er hat u.a. die Theorie der vier Ohren und Zungen entwickelt. Das bedeutet, du kannst alles, was du wahrnimmst – in diesem Fall hörst – auf vier unterschiedliche Weisen verstehen. Dasselbe gilt für den aktiven Part des Sprechens. Du als Newsletter-Abonnent*in kannst dir das Folgende in deinem Arbeitsbogen noch mal vertiefend ansehen:
- Da ist zum einen die Sachebene: Die Ampel ist rot. Das Geschäft ist geschlossen. Der Bus ist abgefahren.
- Zum anderen ist da die Beziehungsebene: Du kannst „hören“ oder durch deine Ausdrucksweise zeigen, in welcher Beziehung die sprechende Person zur hörenden steht und ob/ welche Emotionen mitschwingen. Die Tonalität einer Äußerung wird in diesem Zusammenhang interssant.
- Schließlich gibt es die Apell-Ebene: Will die sprechende Person dich mit ihrer Äußerung zu einer Handlung bewegen?
- Und dann ist da noch die besondere Selbstoffenbarungsebene: Was sagt die sprechende Person über sich, wenn sie etwas Bestimmtes sagt (oder auch bestimmte Dinge nicht sagt)?
Klingt komplex? Sagen wir es so: Es ist besonders deshalb herausfordernd, da viele Menschen sehr empfindlich auf dem Beziehungsohr eingestellt sind und quasi „das Gras wachsen hören“. Da hilft im Sinne der sozialen Kompetenz nur eines: möglichst unvoreingenommen in Kontakt gehen und: fragen, fragen, fragen. Denn das, was du hörst, muss noch lange nicht das sein, was die sprechende Personen ausdrücken wollte. Wenn du dich in sozialer Kompetenz trainieren willst, dann beginne, regelmäßig im positiven Sinne neugierig zu fragen: „Wie meinst du das?“
Fortsetzung folgt im nächsten Blogbeitrag!
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