Einleitung
Achtsamkeit trainieren bedeutet Routine zu entwickeln. Darum soll es hier gehen. Mein letzter Achtsamkeitsworkshop liegt eine Weile zurück und ich frage mich, ob alle Teilnehmenden einen Weg für sich gefunden haben, am Ball zu bleiben. Denn machen wir uns nichts vor: Sich für drei Stunden in einen abwechslungsreichen Workshop zu setzen, ist das eine.
Etwas ganz anderes ist es, wenn man danach weitermachen will: alleine und so ganz ohne Anleitung.
Was ist Achtsamkeit?
Ich will hier nicht ins Detail gehen. Du findest ganz viel Grundsätzliches in meinem Achtsamkeits-Special. An dieser Stelle nur so viel:
Achtsamkeit ist die bewusste Wahrnehmung des gegenwärtigen Moments ohne Bewertung. Es geht darum, das Hier und Jetzt vollständig zu erleben, anstatt sich in Gedanken über die Vergangenheit oder Zukunft zu verlieren.
Im besagten Workshop hatten alle Teilnehmenden das Glück sich zurücklehnen zu können und sich passiv leiten zu lassen. Daheim oder wo auch immer die oder der Einzelne üben will, ist nun nach dem Workshop Eigeninitiative gefragt.
Achtsamkeit trainieren: Warum ist das für den Alltag so wichtig?
Kannst du das: Alles muss immer schneller sein? Früher hat man Briefe verschickt und eine Antwort innerhalb von 14 Tagen erwartet. Heute sendet man Mails raus und erwartet, dass nach einer Stunde eine Reaktion erfolgt. Das ist lediglich ein Beispiel für die alltägliche rasante Geschwindigkeit – die uns allen nicht gut tut.
In unserer schnelllebigen Welt kann Achtsamkeit dir helfen, Stress abzubauen, das Wohlbefinden zu steigern und eine tiefere Verbindung zu dir selbst und deiner Umwelt zu finden. Es ist ein kraftvolles Werkzeug für mehr innere Ruhe und Klarheit.
Vorteile der Achtsamkeit
Lass mich die Vorteile in drei Bereiche gliedern:
Mentale Gesundheit
Achtsamkeit kann helfen, Symptome von
- Depressionen,
- Angstzuständen und
- Stress
zu reduzieren. Es fördert ein gesundes Selbstbewusstsein und emotionale Resilienz.
Physische Gesundheit
Studien haben gezeigt, dass Achtsamkeit die körperliche Gesundheit positiv beeinflussen kann:
- das Immunsystem kann sich stabilisieren
- der Blutdruck kann sinken
- chronische Schmerzen können gelindert werden
Emotionale Stabilität
Durch regelmäßige Achtsamkeitspraxis lernt du, deine Emotionen besser zu regulieren und mit schwierigen Gefühlen umzugehen, was zu einer größeren emotionalen Stabilität führt.
Achtung: Achtsamkeit ist kein Zauber-Allheilmittel! Die Positiv-Wirkung setzt Regelmäßigkeit im Training voraus und ist auch von weiteren Faktoren (gesunde Lebensführung) abhängig.
Wie du mit Achtsamkeit beginnst oder weitermachst
Grundlegende Prinzipien
Der Schlüssel zur Achtsamkeit ist die regelmäßige Praxis und die Bereitschaft, offen und nicht wertend zu sein. Es ist wichtig, dass du geduldig mit dir selbst bist und kleine Schritte machst.
Das ist das Geheimnis, um nach einem Workshop, nach dem Lesen eines Ratgeberbuches etc. am Ball zu bleiben. Und im Grunde ist es völlig egal, ob es um Achtsamkeit oder irgend etwas anderes geht. Um es nicht zu kompliziert zu machen, bleibe ich hier im Folgenden einfach mal bei der Achtsamkeit.
Aus meiner Sicht ist der erste, wichtige Schritt der, sofort weiter zu machen. Leg gleich am nächsten Tag los. Lass nicht Tage oder gar Wochen verstreichen. Lass dich statt dessen von der Energie des Workshops mitreißen und fang an. Ich halte nicht viel von der Aussage, dass man spätestens nach 72 Stunden gestartet sein muss, andernfalls klappt es mit der Regelmäßigkeit nicht. Beiß dich nicht an dieser Zahl fest. Je früher du beginnst, umso besser!
Achtsamkeit trainieren für Anfänger
Routinen schaffen
Beginne mit kurzen Übungen von 5-10 Minuten pro Tag. Konzentriere dich zum Beispiel auf deinen Atem und beobachte, wie er ein- und ausströmt. Versuche, aufkommende Gedanken und Gefühle einfach wahrzunehmen, ohne sie zu bewerten. Du kannst auch informell üben. Heißt: Mach eine Alltagshandlung maximal achtsam. Das knnte zum Beispiel das morgendliche Duschen oder das abendliche Zähne putzen sein. So integierst du recht schnell Achtsamkeit in den Alltag.
Bewusste Pausen
Eine weitere Idee für eine tolle Routine in der Achtsamkeit: Mach regelmäßig kurze Pausen, um durchzuatmen und den Moment zu genießen. Dies kann helfen, den Geist zu klären und Stress abzubauen.
Achtsames Zuhören
Es gibt eines, worin wir alle unbedingt besser werden sollten: Übe achtsames Zuhören, indem du deinem Gegenüber deine volle Aufmerksamkeit schenkst. Vermeide es, zu unterbrechen oder abzulenken, und versuche, wirklich zu verstehen, was die andere Person sagt. Natürlich funktioniert das nur, wenn du dabei nicht nebenbei am Handy hängst.
Zuviel des Guten?
Wenn du selbst aktiv wirst, dann mach bitte nicht den Fehler, und häng die Messlatte zu hoch! Es sollte nicht darum gehen, dass du nun ganz, ganz viel übst. Morgens dies, mittags jenes und abends noch eine weitere Übung oben drauf. Und am nächsten Tag suchst du dir wohlmöglich ganz andere Übungen aus. Das wäre kein guter Übungsweg. Halte statt dessen die Messlatte niedrig. So niedrig, wie es geht.
Weißt du, wenn du zum Beispiel das Schuhe putzen nicht magst, weil es dir keinen Spaß bringt (unter uns: Wem bringt denn Schuhe putzen Spaß…), dann nimm dir vor, nur die Schuhspitzen deiner Schuhe zu putzen. Das ist das Ziel. Nur die Schuhspitzen. Mehr muss nicht sein. Wenn du eine sehr lange Hose trägst sieht man ja vielleicht auch nur die Schuhspitzen. Aber dann bist du am Putzen und wirst sehr wahrscheinlich denken: Okay, wenn ich schon dabei bin, dann mach ich doch noch ein bisschen mehr.
Jetzt hab ich schon das ganze Schuhputzzeug ausgepackt, da kann ich auch beide Schuhe komplett putzen.
Genauso wird es dir mit den Achtsamkeitsübungen gehen. Wenn du dir vornimmst, jeden Tag für eine Minute deinen Atem zu beobachten, dann bist du wahrscheinlich – und zu recht – stolz, wenn du diese Minute absolviert hast, und du sagst dir begeistert: Ach komm, machen wir noch eine Minute.
Herausforderungen und Lösungen beim Achtsamkeitstraining
Häufige Hürden
Ich setze seit vielen Jahren Achtsamkeit in Therapie und Coaching ein. Deshalb weiß ich aus Erfahrung, dass dies die größten Hürden sind:
Zeitmangel
Ungeduld
unruhiger Verstand
Prioritäten
Strategien zur Überwindung
Beginne mit kleinen Schritten und baue deine Praxis in deiner Geschwindigkeit und passend zu deinen Lebensumständen aus. Ja, eine alleinerziehende Person mit Fulltime-Job hat einen randvollen Alltag. Und trotzdem kann es einen Versuch wert sein, sich einfach mal eine Minute Achtsamkeit pro Tag zu gönnen.
Wenn du jemand bist, der grundsätzlich schnell die Flinte ins Korn wirft, versuch auch hier, den Ball flach zu halten. Kleine Übungseinheiten sind schneller von Erfolg gekrönt, was dir ein gutes Gefühl bereitet und du eher weiter machst.
Solltest du beim Üben merken, dass dein Verstand sehr hektisch ist und dir ständig Gedanken schickt, lohnt es sich stur wie ein Esel weiter zu machen. Oder du kommst zum nächsten Achtsamkeits-Workshop und lernst dort eine Übung kennen, die bei diesem Problem hilft.
Falls du feststellst, dass immer etwas anderes wichtiger ist, eben auch das Schauen einer Serie oder dein Computerspiel, hinterfrage bitte deine Prioritäten. Würdest du Achtsamkeit trainieren, wenn du für jedes Üben 500 EUR bekommen würdest? Denk mal drüber nach…
Außerdem können Apps dir helfen dranzubleiben.
Achtsamkeit trainieren mit Apps
Es gibt zahlreiche Apps, die dir helfen, Achtsamkeit und Meditation zu üben. Ich nenne hier drei Apps, die ich selbst getestet und für gut befunden habe:
- Headspace
- Calm
- 7mind
Diese Apps bieten Achtsamkeitsübungen, meditative Musik, geführte Meditationen und Übungen für Anfänger und Fortgeschrittene.
Digital Detox
Zusätzlich kann dein bewusster Umgang mit Technologie dir helfen beim Training von Achtsamkeit. Mein Tipp: Plane regelmäßige „Digital Detox“-Zeiten ein, um dich von der Bildschirmzeit zu erholen und den Geist zu klären. Mehr dazu findest du in diesem Blogbeitrag.
Anfängergeist im Achtsamkeitstraining
Mein nächster Tipp für dein Üben: Bleib bei ein und derselben Übung mindestens einen Monat lang. Spring nicht hin und her zwischen verschiedenen Übungen. Dein Gesamtsystem kann erst Gewohnheitsmuster anlegen, wenn es Wiederholung um Wiederholung erlebt. Ich weiß, dein Verstand fordert Ablenkung und Abwechslung. Aber dein Verstand zählt hier nicht.
Statt dessen lass dich täglich von Neuem auf dieselbe Übung ein, ganz neugierig und unvoreingenommen, als wenn du die Übung zum ersten Mal im Leben machst. Bitte vergiss nicht: Jeder Moment ist einzigartig. Du machst tatsächlich jede Übung zum ersten Mal. Sei dir dessen bewusst.
Achtsamkeit trainieren: Routine aufbauen hilft
Rituale oder Routinen helfen, am Ball zu bleiben. Immer wieder erfahre ich in meinen Einzelsitzungen, dass die Übenden nicht so schnell aufgeben, wenn sie zu einer festgelegten Uhrzeit ihr Übung machen. Schichtdienst kann einem da durchaus das Leben schwer machen. In diesem Fall würde ich schauen, ob es evtl. doch eine bestimmte Uhrzeit geben könnte. I
m Sinne eines „Wenn ich Frühdienst habe, übe ich um x Uhr… und wenn ich Spätdienst habe, übe ich um y Uhr…“ Bleiben wir aber jetzt bei denen, die nicht vom Schichtdienst betroffen sind: Hier hast du die freie Wahl: Bist du ein Morgenmensch? Dann schau doch mal, ob es realisierbar ist, den Wecker 5 Minuten früher zu stellen. So gewinnst du Übungszeit!
Oder vielleicht hast du morgens eh genügend Zeit. Dann denke darüber nach, wie du deine Prioritäten setzt. Menschen, die morgens in Eile und abends zu erschöpft sind, könnten mal schauen, ob evtl. die Mittagspause ein guter Zeitpunkt ist. Und diejenigen unter uns, die abends noch richtig fit sind, wollen vielleicht am Tagesende ins Üben gehen. Meiner Erfahrung nach mögen die meisten Menschen das morgendliche Üben, da wir zu der Zeit noch so unverbraucht sind und kein Alltagstrubel unseren Verstand in Beschlag genommen hat.
Routine in der Achtsamkeit ausweiten
Du kannst übrigens noch mehr diese Routine stärken, indem du nicht nur immer zur selben Zeit übst, sondern vielleicht immer dieselbe Kleidung dabei trägst oder immer am selben Platz sitzt/liegst, immer auf demselben Kissen, immer wenn diese Kerze leuchtet, immer wenn du einen bestimmten Stein vor dir hingelegt hast etc.
Damit verstärkst du die Routine.
Je mehr Routine entsteht,…
… desto stärker ist die Gewohnheit! Ich verspreche dir, es wird der Moment kommen, wo es eine Selbstverständlichkeit für dich ist, deine Übung zu machen – so wie es wahrscheinlich für dich selbstverständlich ist Zähne zu putzen oder Socken anzuziehen.
Rote Ampeln setzen
Etwas anders verhält es sich mit der Alltagsachtsamkeit. Dafür nimmst du dir ja nicht extra Zeit, vielmehr ist es das Ziel, eine typische Alltagshandlung immer wieder achtsam auszuführen. Die Handlung an sich passiert also sowieso, nur die Art des Handels soll sich verändern. In diesem Fall kann es nützlich sein, eine sogenannte „rote Ampel“ zu setzen, um sich selbst daran zu erinnern anders – nämlich achtsam – zu handeln.
Wenn du planst, jeden Abend achtsam den Abwasch zu machen (Ja, lass mal den Geschirrspüler ausgeschaltet!), dann häng dir eine Erinnerung an den Wasserhahn. Dasselbe kannst du machen, wenn du achtsam morgens Zähne putzen willst. Darüber hinaus kannst du einen kleinen Gegenstand nutzen, dich zu erinnern: Einen Kieselstein, eine Muschel, eine Kastanie. Mach doch einen Spaziergang und nimm dir vor, einen kleinen Gegenstand in der Natur zu finden, der ab sofort dein Erinnerungsobjekt für deine achtsame Handlung werden soll. Wähle ihn so klein, dass es dir problemlos möglich ist, das Objekt immer bei dir zu haben.
Weitere rote Ampeln für noch mehr Routine in der Achtsamkeit
Rote Ampel helfen nicht nur bei der Alltagsachtsamkeit, sondern können auch bei den formellen Übungen nützlich sein. Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt: Binde dir ein Gummiband um das Handgelenk, kauf dir einen Ring oder Armreif, leg dir eine Münze in den Schuh. Das sind alles Möglichkeiten, Erinnerungen zu setzen. Du kannst auch mit Klebepunkten arbeiten: Kleb dir einen bunten Punkt an deinen Monitor oder an das Lenkrad im Auto. Schließlich nutz auch gern die moderne Technik! Fast jeder hat heutzutage ein Smartphone. Leg dir einen Termin an, der dich per akustischem Signal daran erinnert, deine Übung zu machen.
Bestehendes Ritual erweitern & noch mehr Achtsamkeit trainieren
Mein abschließender Tipp: Schau doch mal, ob du bereits eine Routine, ein Ritual in deinem Leben hast, die bzw. das du erweitern kannst. Wenn du zum Beispiel jeden Morgen ein paar Stretching-Übungen machst, dann könntest du eine Atem-Achtsamkeitsübung daran anschließend üben. Du erweiterst eine bestehende Routine. Auch dieser Schritt könnte helfen, am Ball zu bleiben bzw. ins Üben zu kommen.
Die innere Haltung
Neben den Routinen und Ritualen spielt auch die innere Haltung eine wichtige Rolle. Dazu habe ich hier etwas geschrieben.
Fazit
Achtsamkeit ist eine wertvolle Praxis, die zahlreiche Vorteile für die mentale, physische und emotionale Gesundheit bietet. Indem wir uns regelmäßig Zeit nehmen, achtsam zu sein, können wir ein erfüllteres und ausgeglicheneres Leben führen. Beginne noch heute mit kleinen Schritten und sei neugierig auf all die positiven Veränderungen, die Achtsamkeit mit sich bringen kann.
FAQs Achtsamkeitstraining
Was ist der Unterschied zwischen Meditation und Achtsamkeit?
Meditation ist eine formale Praxis, bei der man sich Zeit nimmt, um den Geist zu beruhigen und Achtsamkeit zu üben. Achtsamkeit hingegen kann jederzeit und überall praktiziert werden, indem man sich bewusst auf den gegenwärtigen Moment konzentriert.
Wie lange dauert es, bis man die Vorteile der Achtsamkeit spürt?
Die Vorteile der Achtsamkeit können schon nach wenigen Wochen regelmäßiger Praxis spürbar sein. Je nach Person und Intensität der Praxis kann dies jedoch variieren.
Kann jeder Achtsamkeit praktizieren?
Ja, Achtsamkeit ist für jeden zugänglich und erlernbar. Es erfordert keine speziellen Fähigkeiten oder Voraussetzungen, nur die Bereitschaft, offen und geduldig zu sein.
Ist Achtsamkeit religiös?
Obwohl Achtsamkeit ihre Wurzeln im Buddhismus hat, ist die Praxis selbst nicht religiös. Sie kann von Menschen aller Glaubensrichtungen und Hintergründe praktiziert werden.
Welche Rolle spielt die Atmung bei der Achtsamkeit?
Die Atmung ist ein zentrales Element der Achtsamkeit. Sie dient als Anker, um den Geist zu beruhigen und den Fokus auf den gegenwärtigen Moment zu lenken.
Hast du weitere Ideen für Rituale im Achtsamkeitstraining?
Hast du für dich weitere Tricks entwickelt? Lass es mich wissen! Ich sammle alle Tricks und Tipps, um sie gern in einem weiteren Blogbeitrag zu veröffentlichen.
Artikel, die dich interessieren könnten:
https://www.cremasco.de/2018/07/09/auszeit-handy/