Im fünften Teil dieser Reihe gehen wir genauer auf wertschätzende Kommunikation ein:
Wie funktioniert wertschätzende Kommunikation?
Wie ist meine innere Haltung, wenn ich mich auf achtsame Weise anderen mitteile?
Steht Nettigkeit im Zentrum all dessen?
Darf ich meine Bedürfnisse mitteilen oder sollte ich sie zum Wohle der Gemeinschaft lieber unterdrücken?
Wenn du die anderen Teile dieser Selbstwert-Reihe gelesen hast, hast du vielleicht schon erkannt:
Je näher du deinen eigenen Bedürnissen bist, desto wird dein Selbstwertgefühl gestärkt.
Das kann dich allerdings im Miteinander mit anderen in ein ganz schönes Dilemma stürzen: Denn viele sind so sozialisiert, dass ein „Nein“ keine Option sein kann. Nett sein ist häufig das oberste Ziel – und wer nett ist, sagt natürlich „Ja!“. Das gilt ganz besonders für Frauen in unserer Gesellschaft. Je netter desto gesellschaftlicher anerkannt… Die Folgen sind fatal.
Aber bevor wir in die Details gehen: Wenn du den vorherigen Beitrag zum Thema „Selbstvertrauen“ aus der Selbstwert-Serie noch einmal lesen willst, dann klick bitte hier. Und falls du Anmerkungen oder Fragen hast, dann sende mir gern eine Email:
Wertschätzende Kommunikation versus Nettigkeit
Nettigkeit kannst du aus zwei verschiedenen Richtungen betrachten: Wenn es gut läuft, dann entsteht die Nettigkeit eines Menschen aus tiefster Überzeugung und Einstellung den anderen Menschen gegenüber. Hierbei wird zugleich kein eigenes Bedürfnis unterdrückt. Leider ist in vielen Fälle die Nettigkeit jedoch getarnte Selbstaufopferung: „Ich bin nett, weil ich eine Belohnung vom Umfeld bekommen will. Nur deshalb mache ich das. Hierbei unterdrücke ich zugleich mein eigenes Bedürfnis, welches meinem Handeln eigentlich komplett entgegensteht.“
In letzterem Fall bedeutet nett sein, dass Wachstum und Ehrlichkeit verhindert werden. Derart oberflächlich nette Menschen wirken auf andere oft konturlos, echte Nähe ist unmöglich. Und noch schlimmer: Diese netten Menschen leben ihre negativen Gefühle entweder an anderer Stelle aus (nämlich da, wo sie sich selbst in einer Machtposition wähnen) oder aber sie entwickeln psychosomatische Symptome. Ich denke hier an
- Neurodermitis
- Magengeschwüre
- Herzprobleme
- etc.
Hier siehst du übrigens noch einmal in der Übersicht, wo wir thematisch stehen und um was es in diesem Beitrag geht:
Wertschätzend kommunizieren = die Opferrolle verlassen
Ein wichtiges Ziel beim Stärken deiner Kommunikationsfähigkeit sollte sein, die Opferrolle zu erkennen und verlassen. Das sagt sich leicht, nicht wahr? Lass uns einmal schauen, ob du in eine Opferrolle reingerutscht bist.
Was muss passieren, damit du so richtig deftig in diese Falle reinplumpst? Ich habe dir im Folgenden einige Punkte aufgeschrieben, die dazu beitragen, dass du dich selbst aufopferst.Bewusst habe ich überspitzt formuliert, damit du bei den einzelnen Punkten noch klarer erkennen kannst, ob du davon betroffen bist. Prüf bitte, wie viele der Punkte auf dein Leben zutreffen.
7 Schritte zur perfekten Selbstaufopferung
Hör allen Menschen immer länger zu, als du willst. Das gilt besonders für Telefonverkäufer, dauerjammernde Freunde und problemorientierte Arbeitskollegen. Hör ihnen so lange zu, bis SIE ganz zufrieden sind.
Komm jeder Verpflichtung nach, von der du glaubst, dass du sie erfüllen musst. Biete deine Dienste jeder Wohltätigkeitsorganisation an. Mach in jedem Verein mit, der dich um Hilfe bittet. Schreib im Urlaub an die gesamte Verwandtschaft und alle Freunde mehrseitige Briefe und kümmere dich für jeden um ein fantasievolles Souvenir.
Pflege Freundschaft zu Personen, die dich dauerbeschallen mit ihren Lebensthemen, sich jedoch nie für deine Probleme interessieren, und die erwarten, dass du auch nachts um 3 Uhr für sie immer Zeit hast.
Lies jedem Menschen im Umfeld die Wünsche von den Lippen ab, damit diese Personen nie einen Grund haben schlecht gelaunt zu sein.
Lebe den Glaubenssatz „Kein Schmerz, kein Gewinn“.
Geh dem Job nach, der ausschließlich vernünftig ist und dich nicht regelmäßig mit Freude morgens aufstehen lässt.
Verinnerliche das Motto „Ich zuletzt“.
Natürlich habe ich gerade mächtig übertrieben. Diese Übertreibung kann dir helfen, klarer zu erkennen, ob du dich zu sehr nach den Wünschen und Vorstellungen anderer ausrichtest. Je mehr du den oben beschriebenen Punkten in deinem Leben Raum gibst, desto tiefer rutscht du in der Opferrolle. Bitte frag dich, ob dir diese Rolle gut tut. Frag dich auch, warum du dort immer wieder landest oder warum du ein Dauerabo auf die Opferrolle abgeschlossen hast.
Je stärker du dich in den Schritten wiedererkennst, umso mehr muss dir klar werden: Du lebst nicht das, was dein Leben eigentlich ausmacht.
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Wertschätzend kommunizieren und das leben, was dich ausmacht
Wenn du es also leid bist, dein Gehen auf rohen Eiern zu perfektionieren und dich permanent an den Bedürfnissen der Anderen zu orientieren zu Ungunsten deiner Bedürfnisse, dann heißt´s:
Aktiv zu werden.
Immer wieder höre ich an dieser Stelle den Einwand: „Wieso muss ICH denn jetzt wieder aktiv werden? Warum muss immer ich mich kümmern? Die Anderen sind doch der Auslöser.“
Tja… was soll ich sagen: Im Miteinander sind immer beide Seite aktiv und verantwortlich. Eine Seite macht und die andere Seite lässt etwas mit sich machen. Letzteres ist auch ein aktiver Prozess. Beide Seiten sind verantwortlich. Wenn du sagst, dass „die Anderen“ etwas ändern sollen, so kannst du natürlich diese Haltung einnehmen. Kein Problem. Bitte erkenne aber, dass du den Prozess der Veränderung in diesem Fall nicht in der Hand hast.
Stattdessen rutscht du weiter in die stumme, passive Opferrolle hinein und bedienst nur noch stärker das eh schon vorhandene Muster. Du hast keine Ahnung, wann vielleicht „die Anderen“ tatsächlich etwas ändern und ob diese Änderung dazu führt, dass dein Bedürfnis Raum bekommt. Erkennst du die Probematik, wenn du nicht aktiv für dich und deine Bedürfnisse einstehst?
Du kannst es nicht jedem recht machen
Deshalb ist es sinnvoller, dass du ehrlich zu deinen Bedürfnisse stehst. In Aktivität zu kommen und den eigenen Bedürfnissen nachzukommen, bedeutet auch, es auszuhalten, wenn „die Anderen“ mit deinen Reaktionen nicht (mehr) einverstanden oder zumindest irritiert sind:
- „Wieso bist du auf einmal so anders?“
- „Warum machst du dieses oder jenes nicht mehr?“
Das bedeutet übersetzt:
„Dein neues Verhalten gefällt mir nicht; früher warst du so, wie es mir gut getan hat. Jetzt muss ich etwas anders machen, weil du anders bist. Du bist schuld.“
Und wer hat schon gern die Schuld? Das schlechte Gewissen ist mit ein Grund dafür, warum wir uns so schwer tun mit der Idee, ganz bei uns selbst zu sein. Letztendlich ist dein Bedürfnis nicht weniger wert als das der Anderen.
Stell dir das Folgende vor:
Du sitzt am Schreibtisch und arbeitest konzentriert. Denn bis morgen muss etwas Bestimmtes fertig werden. Jetzt klingelt das Telefon und du gehst ran. Dein Gesprächspartner redet und redet und redet und… Du spürst, dass dir die Zeit davonrennt und du dich merklich unwohl fühlst. Bitte sei jetzt nicht schweigsam-nett, sondern bring dein Gefühl zum Ausdruck:
„Ich bin besorgt, weil ich mit dir so lange am Telefon rede. Ich arbeite gerade an dieser Sache XY, die bis morgen fertig werden muss. Deshalb möchte ich jetzt unser Telefonat beenden.“
Ziel ist es, Selbstfürsorge zu leben und auszudrücken. Natürlich kann es sein, dass dein Gesprächspartner darauf genervt reagiert:
„Na toll. Dann werde ich mir genau überlegen, ob ich dich noch mal anrufe.“
Vermeide es an dieser Stelle bitte, den verstecken Vorwurf aufzunehmen und in den Gegenangriff zu gehen. Stattdessen überlege bitte, welches Gefühl wohlmöglich bei deinem Gesprächspartner gerade aufkommt, um genau danach zu fragen:
„Bist du enttäuscht, weil du noch weiter mit mir reden wolltest?“
Du nimmt deinem Gegenüber damit den Wind aus den Segeln. Denn du zeigst mit deiner Frage, dass du dein Gegenüber und sein Bedürfnis siehst und versuchst, es zu verstehen. Und gleichzeitig stehst du zu deinem Bedürfnis. Das ist zutiefst ehrlich.
Selbstakzeptanz ist die Grundlage der wertschätzenden Kommunikation
Das alles funktioniert tatsächlich nur, wenn du dich zuvor umfangreich in Selbstakzeptanz geübt hast. Schau bei Bedarf noch mal in der ersten Folge dieser Reihe nach, was das bedeutet. Auch wenn ich mich wiederhole: Es ist wirklich sehr hilfreich, ins praktische Üben zu kommen. Nur lesen und darüber nachdenken, reicht nicht.
Wertschätzend kommunizieren – So funktioniert´s!
Du braucht eine Portion Mut und die passende, innere Haltung. Eine Veränderung deines kommunikativen Verhaltens gegenüber anderen und damit die Stärkung deines Selbstwertes wird langfristig nur unter den folgenden Voraussetzungen funktionieren:
- die innere Bereitschaft ist vorhanden
- die Veränderung richtest du auf ein positives Ziel aus
Dieses Ziel könnte beispielsweise lauten: „Ich will mich ausbalanciert fühlen und zufrieden sein“ Je besser du dieses Ziel in dir verankerst, umso leichter wird dir das „Nein“ zum alten Verhalten und das „Ja“ zum wertschätzenden Kommunizieren fallen. Du wirst merken, dass du die oben angesprochenen Schuldgefühle, die dein Gegenüber versucht dir aufzudrücken, nicht annehmen musst.
Lass uns das bereits beschriebene Beispiel des Telefonats aufgreifen und dieses fiktive Gespräch auf wertschätzende Weise zu Ende führen:
Wir waren dabei stehen geblieben, dass du in jenem Gespräch sowohl dein Gefühl (Besorgnis) als auch das von dir vermutete Gefühl deines Gesprächspartners (Enttäuschung) aussprichst. Beide Gefühle sind gleichberechtigt. Die Herausforderung ist, abschließend einen Vorschlag zu machen, der beide Gefühle berücksichtigt. Du bittest also um eine Aktivität, in der die Bereitschaft zum Ausdruck kommt, die Erfüllung der Bedürfnisse beider Beteiligten zu ermöglichen.
Unter der Voraussetzung, dass du tatsächlich weiter Kontakt zum Anrufer haben möchtest, könntest du dies vorschlagen:
„Kannst du dir dir vorstellen, dass wir – morgen, heute Nachmittag, am Wochenende – unser Gespräch fortsetzen?“
Die einzelnen Schritte in der wertschätzenden Kommunikation:
Hier noch einmal die Schritte:
1. Empathie zeigen für die Gefühle und Bedürfnisse hinter dem Verhalten deines Gegenübers.
2. Das eigene Gefühl aussprechen. Es kann auch sein, dass gleichzeitig zwei Gefühle in dir aktiv sind.
3. Um eine Lösung bitten, in der die Bedürfnisse aller Beteiligten berücksichtigt werden.
Im Kommunikations-Beispiel, das ich oben beschrieben habe, waren die Punkte 1. und 2. in umgekehrter Reihenfolge sinnvoll. Es ist von Situation zu Situation unterschiedlich, wann welches Gefühl zuerst angesprochen werden sollte. Du wirst mit der Zeit ein Händchen dafür bekommen, denn deine wertschätzende Haltung entwickelt sich ja.
Wie du durch Schmollen Selbstwert verlierst
In der heutigen Zeit sind wir regelmäßig von Menschen umgeben, die uns durch ihre Handlungen bewusst oder unbewusst manipulieren oder unterdrücken. Machtverhältnisse werden ständig ausgetestet. Wir haben das schon früh gelernt. Da war der Lehrkörper, da waren die Eltern oder Großeltern, die uns durch ihr Verhalten mitteilten: „Widerworte gibt man nicht!“
Und wenn du an die ehemalige DDR denkst, dann war dies ein Staat, der den Bürger*innen dies auf allen Ebenen vermittelt hat. Die Jugendlichen in Ost und West der 50er, 60er, 70er und frühen 80er Jahre haben gelernt zu schweigen. Darüber hinaus haben diese Menschen gelernt, auf (ungesunde) „kreative“ Weise mit den Bedürfnissen umzugehen:
- Bedürfnisse und Gefühle abspalten
- passive Aggressivität ausleben
Passive Aggressivität zeigt sich gern durch schmollen. Und das können viele Menschen heutzutage wirklich sehr gut.
Am Ende ist sowohl das Abspalten der Gefühle als auch das Schmollen selbstschädigendes Verhalten. Darunter leidet der Selbtwert, denn dein Bedürfnis bekommen keinen Raum zur Entfaltung. Umso mehr lade ich dich ein, ab jetzt etwas Neues auszuprobieren 🙂
Mein Tipp
Übe dich darin, die Gefühle der Menschen hinter ihrem Verhalten zu erkennen. Mach das in so vielen Situationen wie möglich.
- Welches Gefühl liegt hinter dem zornigen Schimpfen: Verunsicherung? Besorgnis?
- Welche Gefühl liegt hinter dem Weinen: Trauer? Erschöpfung? Überforderung?
- Welches Gefühl liegt hinter dem Schweigen: Passive Aggression? Nachdenklichkeit? Innere Ruhe?
Probiere dich mit der wertschätzenden Kommunikation aus in Situationen, die nicht allzu herausfordernd sind.
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