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In diesem Beitrag will ich dir mit einem Beispiel aus meiner Praxis erklären, was soziale Kompetenz bedeuten kann.

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„Ich darf der Freundin nicht meine Meinung sagen?!“

Wenn du dich sozial kompetent zeigen willst, dann beantworte keine Fragen, die nicht gestellt wurden.

Was bedeutet es, sozial kompetent auf das Jammern einer Freundin zu reagieren?

Soziale Kompetenz bedeutet, nicht ungefragt seine Meinung zu sagen

Der kleine Dialog oben stammt aus einem Therapiegespräch mit Silke (Name geändert). Silke ist sehr spirituell und beschäftigt sich mit mentalen und geistigen Themen, die zum derzeitigen Zeitpunkt keine wissenschaftliche Erklärungsgrundlage haben. Andere würden sagen, dass es sich um Esoterik handelt. Silke beklagt sich, dass Freunde und Bekannte aus ihrem aktuellen Umfeld mit ihrer Haltung nichts anfangen können.

Sie erzählt mir von einem Treffen mit einer Freundin (nennen wir sie einfach mal Inge), die scheinbar sehr viel über die eigenen Lebensumstände jammert. So jedenfalls kommt es bei Silke an. Und weil Silke sich so umfassend und über Jahre in unterschiedliche Lebensthemen reingelesen hat, hat sie das Gefühl, sie müsse Inge helfen und eine Lösung präsentieren. Doch Inge reagiert ständig abwehrend auf Silkes Ideen, die dieses Verhalten nicht verstehen kann.

Die magischen Fragen im Gespräch – so klappt es mit der sozialen Kompetenz

Ich habe mir Silkes Sicht kommentarlos angehört und anschließend diese Fragen gestellt:

  • Silke, hast du Inge gefragt, wofür Inge dir all das erzählt?
  • Bevor du ihr deine Meinung gesagt hast, hast du sie da gefragt, ob Inge deine Meinung hören will?

Silke hat sehr irritiert geschaut: „Ja, wenn Inge mir all das erzählt, dann will sie doch meine Meinung hören.“

„Silke, hast du Inge gefragt, was genau sie braucht und ob es wirklich deine Meinung ist?“

Jetzt war Silke bereit, sich den Fakten zu stellen: „Nein. Inge hat mir nicht gesagt, was sie mit dem Jammern bezweckt und ob ich ihr helfen soll.“ Und ich ergänze: „Und Inge hat dir keinen Hinweis darauf gegeben, wie eine passende Hilfe für sie aussehen könnte.“

Soziale Kompetenz bedeutet Grenzen zu erkennen

Soziale Kompetenz bedeutet eben nicht, sofort mit Hilfe ins Haus zu fallen. Tatsächlich ist das übergriffig. Ich weiß, dies passt so, so wenig in die auf Lösung und Schnelligkeit ausgerichtete Gesellschaft. Und ja, hier habe ich jetzt sehr plakativ alle über den sprichwörtlichen Kamm geschoren. Es kann durchaus sein, dass du ganz anders bist. Möglicherweise kannst du mir dennoch zustimmen, dass sehr viele Menschen heutzutage ganz schnell eine Lösung präsentieren wollen.

Und versteh mich nicht falsch: Schnelligkeit ist nicht per sé falsch, Lösungen sind es ebenso nicht. Meist geht mit einer zunehmenden Schnelligkeit eine Unachtsamkeit einher. Wir überholen uns mental selbst und so geht der Blick für das Wesentliche verloren. Schwupps, machen wir den zweiten Schritt vor dem ersten. Oder anders ausgedrückt: Wir lassen uns mitreißen von der Dynamik und beantworten Fragen, die nie gestellt wurde. Anschließend wundern wir uns dann, warum auf einmal schlechte Stimmung herrscht, und wir sind beleidigt, weil unsere Hilfe nicht wertgeschätzt wurde.

Erlaube deinem Gegenüber eine eigene Meinung zu haben!

Silke hat übrigens gelacht, als ich sie gefragt habe, ob Inge ihre Meinung hören will. Für Silke ist dies bisher eine Selbstverständlichkeit gewesen.

Sie ist sehr überzeugt von ihrem Wissen und ihrer Erfahrung, sodass es ihr schwerfällt einen anderen Blickwinkel zu akzeptieren.

Doch auch wenn ich noch so viel Wissen und Erfahrung habe, gilt unbedingt: Ich…

  • akzeptiere mein Gegenüber so, wie er/ sie jetzt ist.
  • erlaube ihm/ ihr, eine eigene Meinung und Haltung zu haben.
  • glaube daran, dass es unterschiedliche Überzeugungen exisitieren dürfen.

Ein kritisches Hinterfragen von Haltungen, Meinungen, Überzeugungen sollte übrigens immer erlaubt sein. Bitte achte darauf, wenn du dich in sehr spirituellen oder esoterischen Kreisen bewegst. Wenn derartige Gruppen radikal nur eine Haltung akzeptieren und alles andere als falsch bewerten, dann sollten bei dir alle Alarmglocken klingeln.

Du brauchst die Erlaubnis zu helfen.

Und das beinhaltet auch die Idee, dass mein Gegenüber sich eventuell gar nicht weiterentwickeln will und/oder sich nicht in die Richtung entwickeln will, die mir persönlich wichtig ist. Und sowieso hat jeder Mensch seine eigene Entwicklungsgeschwindigkeit.

Es gilt das Gebot, dass die andere Person immer so sein darf, wie er oder sie will, und glücklich damit sein darf. Es sei denn, dieser andere Mensch signalisiert eindeutig und am besten mit direkten Worten: „Hilf mir. Sag mir, was du dazu meinst.“ Du hast dann zum einen die Legitimation bekommen zu helfen und du hast erfahren, wie du der Person helfen darfst. Dann und nur dann macht es Sinn, eine Lösung zu präsentieren.

Eine sozial kompetente Silke verhält sich also so

Zuhören, zuhören, zuhören – und zwar maximal achtsam. Das bedeutet, mit der gesamten Aufmerksamkeit beim Gegenüber zu sein und nicht gedanklich abzuschweifen oder innerlich an Lösungen zu basteln

Anschließend Fragen stellen – idealerweise ist dies die erste Frage: „Darf ich dir zu all dem, was du mir erzählt hast, eine Frage stellen?“

Wenn die Erlaubnis für Fragen da ist, dürfen diese Fragen folgen:

 

    • Was brauchst du jetzt von mir/ was wünscht du dir von mir?
    • Wie kann ich dich unterstützen?
    • Willst du meine Meinung dazu hören?
    • Suchst du nach einer Lösung?
    • Hast du Interesse daran zu hören, wie ich vorgehen würde?

Und immer wieder sehr hilfreich ist diese Frage:

    • Wie meinst du das?

Soziale Kompetenz bedeutet, sich allen Gefühlen zu stellen

Denn vielleicht kennst du es ja von dir selbst: Manchmal tut es gut, ein wenig zu jammern. Dann steht das Finden von Lösungen gar nicht in Vordergrund. Vielmehr will man sich mal – pardon – auskotzen, weil etwas gerade blöd gelaufen ist. Mal jammern ist vollkommen in Ordnung. Es tut gut, dem Frustgefühl einfach mal Raum zu geben. Vielleicht war das ja Inges Ziel, dass sie im Gespräch mit Silke so gejammert hat. Wer weiß.

Gefühlen Raum geben gilt übrigens auch für alle anderen – negativen wie positiven – Gefühle. Jedes Gefühl ist willkommen, eben auch die unangenehmen. Falls du im Sinne der Optimierung ein Gefühl unterdrückst, zeigst du dich dir selbst gegenüber nicht nur sozial inkompetent, sondern du tust dir auch nicht gut. Gefühle wegdrücken funktioniert zeitlich nur sehr begrenzt.

Aushalten gehört zur sozialen Kompetenz dazu

Stanley Kubrick hat gesagt „Beobachtung ist eine aussterbende Kunst“. Ja, in unserer lauten, immer schneller werdenden Welt nehme auch ich dies so wahr. Aber das heißt ja nicht, dass es so bleiben muss. Jede einzelne Person kann frei entscheiden, wie achtsam er oder sie sich verhalten möchte.

Denn das ist die Grundlage für soziale Kompetenz: authentische Achtsamkeit. Und das heißt erst mal, dass ich wahrnehme, was ist. Nur wahrnehmen, beobachten und dies einfach so im Raum stehen lassen, akzeptieren und aushalten. Das schreibt sich so leicht und ist doch so schwer und eben auch so wichtig.

Aushalten ist nicht einfach. Du kennst es vielleicht selbst, wenn du von etwas total überzeugt bist – und jemand anders gar nicht. Jede Person hat ihre eigene Wirklichkeit aufgrund der individuellen Wahrnehmung. Das ist nicht schlimm, sondern kann sehr bereichernd sein im Miteinander. Kritisch wird es, wenn jemand nur die eigene Wirklichkeit gelten lässt – und allen anderen Menschen andere Erfahrungen abspricht bzw. von der eigenen Wirklichkeit auf die Wirklichkeiten von anderen schließt. Deine Erfahrung ist immer nur deine Erfahrung und nie die einer anderen Person.

Dieses „die andere Person so belassen wie sie ist“ kannst du üben, zum Beispiel durch die Metta Meditation (Anleitung siehe hier).

Aus diesem Fundament ergeben sich sodann unweigerlich Zusatzkompetenzen, die die soziale Kompetenz ausmachen. Ich habe das in einer Grafik zusammengestellt:

Die Teilbereiche der sozialen Kompetenz

Stellt die Grafik alle Teilaspekte der sozialen Kompetenz dar? Ich erhebe hier keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Viel wichtiger ist mir, dass dich die Grafik zum Nachdenken anregt. Nein, nicht damit du „Finger pointing“ mit dem Blick auf andere betreibst, sondern damit du dein Verhalten hinterfragst. Wenn wir alle an unserer sozialen Kompetenz arbeiten würden, dann wäre echt viel gewonnen.

Einsicht & Ausblick

Soziale Kompetenz ist ein Schlüssel zu mehr Gelassenheit und Lebensqualität. Sie trägt dazu bei, dass dein Stresserleben sich verändern kann. Die meisten Menschen, die in meine Praxis wegen Stressthemen kommen, haben Probleme mit ihrer sozialen Kompetenz, ein geschwächter Selbstwert ist eng damit verzahnt. 

Du wirst zukünftig mehr zu der sozialen Kompetenz hier auf dem Blog finden. Falls du immer up to date sein willst: 

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